Kalenderblatt für Mai 05

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Alte Alkopops:
Berliner Weiße
Ich weiß, dass ich mit der Berliner Weiße die Menschheit teilen kann, in ihre Liebhaberinnen und ihre vehementen Gegnerinnen - doch das soll mir egal sein, ich widme dem "Champagner des Nordens" den Kalenderblatt-Leitartikel für diesen Monat.

Wenn ich mal von der fitzeligen Zitronenscheibe im Weißbier absehe, darf lt. diesem öminösen Reinheitsgebot ja nichts an oder besser ins Bier, ganz anders ist es bei meinem Berliner Touri- oder Omabier. Das Geheimnis dieses farbenfrohen Tuntenerfrischers liegt nicht nur in dem Fruchtsirup (klassischer Weise in den Geschmacksrichtungen Himbeere oder Waldmeister), sondern in der Gärmethode. Zusätzlich zu einer obergärigen Hefe werden ausgewählte Milchsäurekulturen beigegeben, deren Stoffwechselendprodukt Kohlensäure ähnlich wie beim Champagner zu einem feinprickelnden Trinkgefühl führt.

Die Weiße ist das Ergebnis vielfacher Bestrebungen es dem Gerstensaft gleichzutun. Ein gewisser Cord Broihan aus Halberstadt weilte 1526 in Hamburg. Zurückgekehrt versuchte er das damals sehr beliebte Hamburger Bier zu imitieren, doch es gelang ihm nicht wirklich, sondern er erfand das "Halberstädter Broihan", ein Weizenbier, das schon bald in Mode kommen sollte. Berliner Brauer versuchten sich wiederum an einem Kopierversuch jenes trendsettenden Broihans und die Berliner Weiße war geboren. Im 19.Jahrhundert belieferten eine Vielzahl von Spezialbrauereien wie Landré in der Münzstraße, Breithaupt in der Palisadenstraße oder Willner in Pankow Weißbierlokale im Freien. Das Bier gab es sogenannten "Kruken", großen tönernen Krügen. Die Kunst des Einschenkens bestand darin, das typische Weißbierglas (damals schon mit sehr breitem Kelch aber noch ohne Fuß) und Kruken in gleicher Höhe zu halten, damit die Hefe nicht mit ins Glas kam. Der Schuss war ein Schnaps wie Kümmel oder Korn, den man nicht hineinschüttete sondern dazutrank.

Stilecht kommt heute erst der Sirup, dann die halbe Flasche Weiße schwungvoll in ein breites gestieltes Glas, um eine Schaumkrone zu bilden, der Rest der Bieres wird vorsichtig zugegossen, ein Trinkhalm sollte nicht fehlen. Die Berliner Weiße ist ein Schankbier, das mit einem Stammwürzegehalt von sieben bis acht Prozent eingebraut wird (Zum Vergleich: Pils 12%) . Der Alkoholgehalt liegt bei freundlichen 2,5 Prozent. Der Fruchtsirup kommt aus dem schlichten Grunde in das Gebräu, weil es den meisten ohne zu sauer ist. Ich halte es -wie Eingangs erwähnt- für das erste Alkopop.

Nichtsdestotrotz wünsche ich Ihnen eine schöne Terrassen- und Biergartensaison 2005, sie sei hiermit eröffnet.

Ihr Robert M.
   Gewinnspiel:
Nicht nur (Hirn-)Wichse!
Gewinn' Gleitgel (2x 150 ml) und eine DVD Derrida; zum Mit- spielen einfach E-Mail-Adresse unterhalb des Textes eintragen.
  Jacques Derrida - der "Vater der Dekonstruktion" - ist einer der wichtigsten Philosophen unserer Zeit, der den Blick auf Geschichte, Kunst und Sprache des 20. Jahrhunderts und nicht zuletzt den Blick auf uns selbst maßgeblich beeinflusste. Im Oktober 2004 ist er verstorben. Über fünf Jahre haben Kirby Dick und Amy Ziering Kofman an ihrem Dokumentarfilm gearbeitet, Derrida privat in Paris und New York besucht und ihn auf seinen Vortragsreisen begleitet. Sie nutzen auch Auszügen aus Derridas Publikationen
Vorträge, Vorlesungen und Diskussionen an verschiedenen Universitäten. Der Film zeigt Derrida, wie er über Liebe und Gewalt, über Narzissmus und Ruhm oder den Tod seiner Mutter spricht, wie er sich kämmt, wie er isst oder mit feinem Witz scherzt. Und er zeigt viel von Derridas Charakter, seinem grüblerischen Snobismus oder seiner Widerwilligkeit, eigene Geheimnisse preiszugeben.
Der Philosoph seinerseits dekonstruiert den Dokumentarfilm, indem er dessen Unfähigkeit beschwört, die Wahrheit festzuhalten. Golden Gate Award, San Francisco IFF 2002, engl.-französische Originalfassung mit deutschen Untertiteln. (Absolut Medien: www.absolutmedien.com)
 
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Teilnahmebedingungen: Trage Deine E-Mail-Adresse bis zum 30.6.2005 hier ein. Der/die GewinnerIn wird per E-Mail am 1.7.2005 benachrichtigt. Die "gesammelten" E-Mail-Adressen werden ausschließlich für dieses Gewinnspiel gespeichert und 3 Tage nach Beendigung des Gewinnspiels gelöscht.
Mitglieder von etuxx e.V. dürfen selbstverständlich nicht mitspielen sind automatisch von der Verlosung ausgeschlossen. Der Gewinn-Versand kann aus Kostengründen nur innerhalb Deutschlands erfolgen.

Geschichte in Augenblicken:
Die Vierte-Mai-Bewegung
Als am 4.5.1919 ca. 3000 Studenten Flugblätter vor dem Tor des Himmlischen Friedens (Tian'anmen), dem Eingang zum Kaiserpalast, dessen gleichnamiger Pekinger Platz es 1989 noch zu mörderischer Berühmtheit wegen eines Massakers gelangen soll, verteilten, wusste wohl keiner, dass eine ganze eine politische und kulturelle Protestbewegung danach benannt werden würde.

Die protestierenden 3000 möchten das Land zum Widerstand gegen Japan wecken. Grund dafür ist der Passus in dem Versailler Vertrag, der die ehemals deutsche Kolonie in der ostchinesischen Provinz Shangdong (ein Gebiet um die Hafenstadt Qingdao) Japan zuspricht. Japan hatte die Wirren des 1.Weltkriegs genutzt, um jene Gebiete unter ihre Fittiche zu bekommen. Die Studenten sind entsetzt, dass ihre Regierung den Vertrag unterzeichnen will, und stürmen unter anderem die Villa des ‚japanfreundlichen' Verkehrsministers.

Die Proteste auch in den folgenden Wochen bewirken politisch diesbezüglich nichts, dennoch gelten sie als Beginn des Aufbruch des Chinas. Die neue intellektuelle Vorhut rechnet ab, womit man nur abrechnen konnte. "Die neue Jugend" (Zeitschrift) schrieb 1919:"Wir glauben, dass für den Fortschritt unserer gegenwärtigen Gesellschaft Naturwissenschaften und pragmatische Philosophie Vorbedingungen sein sollten und dass Aberglaube und Spekulation abgeschafft gehören. Wir glauben, dass die Achtung der Persönlichkeit und der Rechte der Frau zur fortschrittlichen Entwicklung unserer gegenwärtigen Gesellschaft unbedingt erforderlich ist." Es begann ein Kampf dessen Hauptgegner nicht mehr der Imperialismus, sondern die ideologische Basis des kaiserlichen Regimes, der Konfuzianismus war.

Schriftsteller Zhang Yiping weiß dazu berichten: "Ich kannte einen jungen Mann, der die drei Schriftzeichen seines Namens durch 'Er-Du-Ich' ersetzte. Und in der Peking-Universität traf ich am Tor der Philosophischen Fakultät einmal einen Freund, der von einem Mädchen mit kurzen Haaren begleitet wurde. Ich fragte sie: 'Darf ich mich nach Ihrem Familiennamen erkundigen?' Sie starrte mich an und schrie: 'Ich habe keinen Familiennamen!' Es gab auch Leute, die ihren Vätern einen Brief schrieben mit den Worten: 'Ab dem soundsovielten werde ich dich nicht mehr als meinen Vater anerkennen. Wir sind alle Freunde und gleichberechtigt.'"

Übrigens war Mao Tsetung auch an jener Peking-Universität, 1919 allerdings als Bibliothekar!