Das Kalenderblatt für August 03

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Vom modernen Würzwasser mit Barrique-Effekt


Aceto Balsamico schüttet die moderne Küchenfee an fast alles, gebratenes Gemüse wird damit gelöscht, Fleisch bekommt eine spritzigere Note und Salat ja sowieso. Unaufhaltsam mausert sich dieser Essig zum Maggi unserer Zeit. Ein echter Aceto Balsamico tradizionale kostet ab 50€ aufwärts, die 100ml Flasche - und ist mindestens 12 bzw 25 Jahre alt (das darf aber nicht draufstehen). Der vergorene Most (natürlich nur von der Traubensorte "Trebbiano di Spagna" und natürlich nur um Modena gewinzert) wird mit Sauerstoff per Essigsäuregärung zu Essig. Die Lagerung in den verschiedenen Holzfässern lässt immer mehr Wasser verdunsten und der Essig wird immer konzentrierter. Doch was die meisten von uns im Küchenregal haben dürften, ist eher Aceto Balsamico di Modena industriale, na ja das industriale wird kein Hersteller draufgeschrieben haben. Künstlich gealterter Essig, teilweise aromatisiert mit Zimt oder Lakritze und Zuckercouleur (Karamell). Manch ein Hersteller schmeißt auch noch ein paar Holzspäne für ein bis zwei Jahre mit in den Stahltank. Ein Lob auf die Industrie und die Chemie, denn sonst hätte viele Möchtegern-Pfannen-Helden heute kein schickes Würzmittel mehr.

Führer und Führerinnen gesucht
Nach Jahren der Hoffestpause wird im Kronleuchterhof des Berliner Tuntenhauses wieder das Tanzbein geschwungen. Und das dieses Mal im wahrsten Sinne des Wortes. Kein Strobo-Techno und kein Independent-Gehopse, nein gediegener Standardtanz zur besten Teatime, und um Mitternacht ist diesmal Schluß !!! Auflösung von klischeehaften Rollenmustern, Gemurmel gegen Pärchenwahn? Um Gottes Willen - bleib zu Hause! Entweder Du lässt Dich führen oder Du führst, ein dazwischen gibt es nichts beim Standardtanz. Da der Hof mit einem Tanzboden ausgelegt sein wird, bleibt für Eckensteher sicher kein Platz. 9.8. 17h-24h Standardtanz, umsonst und draußen. Berlin, Kastanienallee 86.



     
Kein Blut von Schwulen!

Jedes Jahr die gleiche Leier: Sommer, Sonne, Urlaub, Blutkonservenmangel. Zum Teil müssen deswegen Operationen verschoben werden. Schwule dürfen auch 2003 nicht spenden, weil es das Transfusionsgesetz verbietet, sie sind allesamt pauschal eine Risikogruppe.
Nicht das konkrete Verhalten ist ausschlaggebend, sondern sexuelle Orientierung oder Identität sind Spende-Verbotsgründe nach jenem Transfusionsgesetz. Das mag seinerzeit (80er) auch richtig gewesen sein, denn es kam dort durch Bluttransfusionen zu zahlreichen HIV-Infektionen. Das wurde zum Anlass genommen, so genannte Risikogruppen von der Blutspende auszuschließen, weil es keine Möglichkeiten zu Kontrolltests gab. Inzwischen ist die HIV-Übertragungswahrscheinlichkeit durch Bluttransfusionen wegen der einfachen und schnellen Tests längst auf nahezu Null gesunken. Mit der steigenden Sensibilisierung der Bevölkerung haben sich auch die Vorzeichen ersichtlich verschoben - nicht mehr Risikogruppen, sondern das Risikoverhalten jedes und jeder Einzelnen sind ausschlaggebend für Infektions-Risiken und damit eigentlich relevant im Sinne des Transfusionswesens. In Italien wurde bereits die Gesetzesgrundlage an diese "neuen Erkenntnisse" angepasst. Auch Schwule sind zur Blutspende zugelassen, allein das Risikoverhalten bestimmt einen möglichen Ausschluss von der Blutspende. Übrigens bei keiner Veränderung bzw. sogar einer geringen Abschwächung der Infektionsrate der Bluttransfusionen. Als man in Spanien den Homos das Blutspenden in Militärkrankenhäusern verbieten wollte, gab es starke Proteste von Blutspende- und Homoverbänden. Das Verbot wurde vom spanischen Verteidigungsministerium letzten Winter wieder zurückgenommen. Auch in Deutschland gibt es entsprechende Studien zur möglichen Spendertätigkeit von Schwulen (1993, Bundesgesundheitsamt, Berlin und 2003, Anja Preuß, Leipzig), die eine ähnliche Rechtsanpassung als sinnvoll erscheinen lassen. Die BAG queer der PDS fordert vor diesem Hintergrund eine Änderung des Transfusionsgesetzes, im Sinne, dass ausschließlich Risikoverhalten ausschlaggebendes Kriterium zum Ausschluss von Menschen von der Blutspende ist. Menschen dürfen auf Grund Ihrer eigenen Identität und sexuellen Orientierung nicht weiter diskriminiert werden. Naja, und der sommertypische Blutkonservenmangel könnte vielleicht so auch weniger rasant ausfallen.

  



Schwerer Ausnahmefehler
etuxx-Webtipp des Monats: Das Online-Museum für falsche Fehlermeldungen präsentiert eben solche, aber auch echte. Die Kalenderblattredaktion empfiehlt einen Rundgang durch die Sammlung Merhof

petrapack: sicher richtig&schon längst überfällig,nur das es dadurch dann bestimmt nicht weniger an Blutkonserven mangeln wird.... ich spende schon sehr lange Blut und es ist immer wieder eine grosse Freude im "wartegang"so viele homos zu treffen... übrigends war es am do.so voll das leute wieder gehen mussten wegen der "zu kurzen öffnungszeiten"!!!!!!!!!!!!!  
kweekee: ausgeschlossen vom blutspenden sind auch alle, die sich wie ich mitte der 80er bis mitte der 90er jahre für ein paar monate in england aufgehalten haben. grund: bse-prionen-gefahr! auch hier spielt das eigentliche verhalten keine rolle: ich bin nämlich vegetarier.  
arschficken geht immer: übrigens auch bei den Nazis und in der homophoben Kirche, man darf sich nur nicht erwischen lassen. Darum geht's doch. (Und das ist das Verlogene daran.) Was passiert eigentlich, wenn man "als Schwuler" beim Blutspenden erwischt wird?  
flaebehop: dann musst du das butterbrot wieder zurückgeben. trotzdem ist es kein besonders emanzipatorischer ansatz, die flucht vor dem zwang anzutreten, indem du für dich selbst die beschränkung aufhebst. emanzipatorisch ist es vielmehr, diesen zwang zu hinterfragen und auf seine beseitigung hinzuwirken, denn es gibt ja bekanntlich kein richtiges leben im falschen.  
Wiesengrund: "To adore" bedeutet zwar "bewundern", und Adorno war ja auch alles andere als frei von Eitelkeit, aber die Überhöhung seiner minimalmoralischen Feuilletons zu letzten Wahrheiten möge man uns ersparen. Zumal die Konsequenz aus diesem berühmtesten seiner Bonmots doch nur lauten kann: ... dann gibt es überhaupt kein richtiges Leben!  
arschficken g.i.: to  adore