etuxx goes geschlechtskrankheiten V
Testen bis der Arzt kommt
von Undine Undulanz

Die meisten sexuell übertragbaren Infektionen äußern sich durch Symptome: Hautveränderungen, Schmerzen, Jucken, Brennen, Ausfluss, Durchfall, Fieber etc.

Es gibt jedoch eine Reihe von sexuell übertragbaren Infektionen, die (zunächst) symptomlos verlaufen, bzw. deren Symptome nicht bemerkt werden, da sie nicht sichtbar oder nicht spürbar sind, oder weil die Symptome so uncharakteristisch sind, dass nicht an eine Infektion gedacht wird.

Dazu gehören Hepatitis B und C, HIV und die Syphilis. Es ist nicht möglich, allgemein gültige Empfehlungen zu geben, wie oft sich jemand auf diese Infektionen testen lassen sollte, denn das Risiko hängt davon ab, wer wo mit wem wie oft welche Art von Sex hat.

Die Zeiten, in denen marginalisierte Gruppen innerhalb einer Gesellschaft zwangsgetestet werden, sind in der BRD glücklicherweise vorbei. So waren noch vor wenigen Jahren zum Beispiel Prostituierte gezwungen, dem Gesundheitsamt regelmäßige Nachweise über das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein sexuell übertragbarer Infektionen zu liefern. Heute sind solche Testungen freiwillig, egal ob homo oder hetero, egal ob Sex aus Leidenschaft oder für Geld.

Seit es Medikamente gibt, die bei Menschen mit HIV den Ausbruch von AIDS verzögern, werden regelmäßige Antikörpertests für Menschen mit dem Risiko einer Infektion eigentlich von allen Akteuren im Gesundheitssystem empfohlen. Je nachdem, wie viele Sexpartner jemand hat, wie häufig die sexuellen Kontakte sind, welche Sexualpraktiken gewählt werden und ob beispielsweise ein Partner oder eine Partnerin an einer chronischen Infektion erkrankt ist (HIV, Hepatitis C), können und müssen unterschiedliche Testfrequenzen empfohlen werden.

Die Unsicherheit der Menschen bezüglich sexuell übertragbarer Infektionen wird jedoch leider auch vielfach ausgenutzt. Mittlerweile werden für Selbstzahler sogenannte Check-Up-Untersuchungen von Arztpraxen und Laboren angebotenen, auch ohne dass ein konkreter Verdacht auf eine sexuelle Infektion vorliegt, oder wenigstens ein erhöhtes Risiko bestand. Häufig ist ein Großteil dieser Untersuchungen nicht sinnvoll, dafür aber teuer. Viele frisch verliebte Paare investieren in solche teuren Testungen als "Treuebeweis"... - dem Labor ist dabei meistens sehr viel mehr geholfen als dem oder der Liebsten.

Zum Beispiel Antikörpertests: Antikörper sind Eiweiße, die vom Körper als Reaktion auf eine Infektion gebildet werden, und die direkt oder indirekt bei der Eliminierung der Erreger mithelfen.

Als Faustregel gilt: Antikörpernachweise sind für chronische Infektionen sinnvoll (wie für HIV), da es erstens einige Zeit dauert, bis sich überhaupt Antikörper bilden, so dass bei einer akuten Erkrankung Antikörper oft noch gar nicht im Blut vorhanden sind. Selbst bei einer akuten Syphilis im ersten Stadium hinkt der Antikörpertest ungefähr eine Woche hinterher. Hat der Körper einmal Antikörper gebildet, sind sie wiederum längere Zeit nachweisbar, auch wenn die Erkrankung längst behandelt und ausgeheilt ist.

Aber auch für viele sexuell übertragbare Infektionen, die chronisch verlaufen oder verlaufen können, sind Antikörpertests nur sehr bedingt hilfreich: So gibt mir beispielsweise ein negatives Testergebnis bezüglich gegen Chlamydien gerichtete Antikörper falsche Sicherheit: Zwar bedeutet es, dass ich mit hoher Wahrscheinlichkeit noch keinen Kontakt mit Chlamydien hatte - nur kann sich dies schon morgen beim nächsten Date rasch ändern... Ist mein Testergebnis positiv, bedeutet dies nur, dass ich irgendwann einmal Kontakt mit Chlamydien hatte. Noch unsinniger sind Tests auf Antikörper gegen Herpesviren. Herpes - egal ob Genital- oder Lippenherpes, macht sich immer irgendwann bemerkbar, darauf kann man sich verlassen! Wer noch nie Bläschen im Bereich der Lippen hatte, kann auch ohne Antikörpertest mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass er oder sie zu den 15% in Deutschland gehört, die (noch) nicht mit dem Lippenherpesvirus infiziert sind.

Es gibt eigentlich nur zwei Antikörpertests, die für Menschen mit wechselnden SexpartnerInnen ohne Einschränkung als sinnvoll zu erachten sind: HIV-Antikörper und Syphilis-Antikörper. Bei der Syphilis steht die Behandlung als Konsequenz im Vordergrund, bei HIV zunächst meist das Wissen um die eigene Infektion.

Antikörpertests für Hepatitis A und B sind nur in drei Situationen sinnvoll: vor der Impfung, zur Überprüfung des Impferfolgs, und für die Nicht-Geimpften nur, um manifeste Erkrankungen nachzuweisen oder auszuschließen.

Die Notwendigkeit einer regelmäßigen Testung auf Hepatitis-C-Antikörper ist umstritten, da bislang nicht klar ist, wie häufig Hepatitis C sexuell übertragen wird. Bei nicht-blutigen Sexpraktiken wird Hepatitis C vermutlich ausgesprochen selten übertragen. Menschen, die sich Drogen in die Vene spritzen, sich häufig Piercings stechen oder Tattoos setzen lassen (insbesondere wenn das im Knast passiert), Menschen, die sich fisten lassen oder einen Partner oder eine Partnerin haben, die chronisch an Hepatitis C erkrankt ist, haben ein eindeutig erhöhtes Risiko, sich mit dem Hepatitis-C-Virus zu infizieren. Für diese Menschen kann eine ein- bis zweijährliche Routinetestung empfohlen werden, für alle anderen nicht.

Menschen mit HIV und wechselnden SexpartnerInnen sollten sich einmal im Jahr auf Feigwarzen und andere sexuell übertragbare Infektionen körperlich von einem Arzt oder einer Ärztin untersuchen und sich auf Syphilis-Antikörper testen lassen.

Obwohl, wie oben dargestellt, allgemeine Empfehlungen zur Testfrequenz problematisch sind, kann gesagt werden, dass ein- bis zweimal jährliche Antikörpertest für HIV und Syphilis sicherlich die Obergrenze sind. Zumal es jedes Mal furchtbar aufregt. Alles andere, Routine-Abstriche aus der Harnröhre auf Gonokokken oder Chlamydien zum Beispiel, sind vor allem eins: schmerzhaft. Auch wenn Infektionen mit Gonokokken und Chlamydien stumm verlaufen können, reicht es völlig aus, die ärztliche Praxis erst dann aufzusuchen, wenn ich oder jemand, mit dem ich Sex hatte oder habe, Symptome bekommt. Wichtiger als alle Testerei ist ein umsichtiger Umgang mit sich selbst und anderen. Dazu gehören Safer Sex und die Kenntnis der Symptome sexuell übertragbarer Infektionen. Mit dem Restrisiko sollten wir in erster Linie: leben.

Mikrotitierplatte für Antikörpertests
  Mikrotiterplatte mit Antikörpertests

Nachsatz zur Kostenfrage
Das Robert Koch Institut empfiehlt "vierteljährliche Untersuchungsintervalle für Personen mit zwei oder mehr Sexualpartnern pro Monat". Diese Empfehlungen wurden gemeinsam mit der Deutschen AIDS-Gesellschaft, der Deutschen Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der HIV-Versorgung, der Deutschen STD-Gesellschaft sowie der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie erarbeitet. Das Problem dabei, abgesehen von der psychologischen Belastung, besteht darin, dass von den Krankenkassen offiziell solche Vorsorgeuntersuchungen nicht bezahlt werden.
Viele - aber nicht alle - Gesundheitsämter bieten kostenlose und anonyme Tests an, meistens für Syphilis und HIV.
Streng genommen wird jede Untersuchung auf sexuell übertragbare Krankheiten nur dann von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, wenn ein klinischer Verdacht vorliegt, oder eben, wenn der oder die SexpartnerIn erkrankt ist. Glücklicherweise führen nicht die Krankenkassen, sondern höchstens die Schwulen selbst – beispielsweise in Profilen schwuler Internetportale – Listen über ihre Sexualkontakte.
Hinweis: Das Lesen von Texten zu medizischen Themen ersetzt nicht den persönlichen Besuch bei deinem Arzt oder deiner Ärztin.

außerdem erschienen:
etuxx  Geheimsache SÜK (sexuell übertragbare Krankheiten)
etuxx  Wenn's vorne juckt & hinten beißt (Filzläuse & Krätze)
etuxx  Wenn Frauen zu sehr fließen (Scheideninfektionen)
etuxx  Testen bis der Arzt kommt
etuxx  Der Tropfer (Tripper, Chlamydien)
etuxx  Shigellen
etuxx  Der Arschflokati (Feigwarzen)
etuxx  Siffiges zur Syphilis
etuxx  Hepatitis C - Steht Berlin vor einer Epidemie? update
etuxx  Gay Panic Syndrome - Ist MRSA die neue Schwulenseuche?
etuxx  Rein bevor's kommt! - Impfungen gegen HIV?
HIV-Test nur anonym: Gebranntes Testkind: Ich vermisse den Hinweis, daß man sich einem HIV-Test nur anonym, und nie in einer mit der Krankenkasse abrechnenden Arztpraxis testen sollte. Denn: ist das Testergebnis positiv, ist die Karriere als Versicherungsnehmer privater Absicherungen im Berufsunfähigkeits- und Krankenbereich beendet. So etwas sollte etuxx doch wohl bekannt sein...  
Undine: Vielen Dank für diese wichtige Ergänzung. Natürlich ist etuxx bekannt, dass ein "kassenamtlich" bekanntes positives Testergebnis im Bereich der privaten Vorsorge ärgerliche Folgen nach sich ziehen kann. Dennoch möchte ich dazu anmerken, dass der Anteil derjenigen, die noch eine Karriere mit privater Krankenversicherung planen gegenüber denjenigen, die dazu gar nicht in der Lage sind, ausgesprochen klein ist. Und: Auch wer eine Psychotherapie hinter sich hat, mal in der Psychiatrie war oder eine chronische körperliche Erkrankung hat, wird von den privaten Versicherungsträgern meistens abgelehnt.  
Undine (forts.): Ein meiner Meinung nach für die meisten hier relevanteres Problem, das ich in meinem Text auch nicht angesprochen habe, besteht darin, dass der anonyme Test in den meisten Gesundheitsämtern der BRD mittlerweile 10€ und mehr kostet. Wird der anonyme HIV-Antikörpertest in einer Arztpraxis nach IGeL (individuelle Gesundheitsleistung) abgerechnet, wird es noch teurer. Allerdings gibt es in etlichen Praxen die Möglichkeit, einen zunächst anonymen HIV-Antikörpertest bei negativem Testergebnis zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abzurechnen.  
Undine (forts.): Vielleicht ist es auch meine Abneigung gegenüber dem System der privaten Krankenversicherung, dass ich in meinem Text keine Tips gebe, wie man hineinkommt. Wer an Diabetes erkrankt oder eine Depression entwickelt, hat auch nicht die Möglichkeit, dies anonym zu tun. Für den HIV-Test besteht diese Möglichkeit, und gerade für den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist ein anonymer Test wichtig. *** Dass Vorsorgeleistungen zunehmend in den privat zu zahlenden Bereich gedrückt werden, ist sicherlich ein politisch wichtiges Thema. Wenn Du oder jemand anderes weiß, welche Gesundheitsämter noch kostenlose anonyme HIV-Tests anbieten, wäre es klasse, diese Information hier zu teilen.  
in leipzig: nach meinem wissen dürfte hier kostenlos beraten und getestet werden: Gesundheitsamt Leipzig, AIDS- Beratung- und Betreuung, Gustav-Mahler-Straße 1-3, 04109 Leipzig (Sprechzeiten: Mo,Fr 09.00 - 12.00 Uhr, Di 09 - 18.00 Uhr, Do 12 - 16.00 Uhr) Telefon: (03 41) 1 23 68 94  
Gebranntes Testkind: @Undine: Danke für Deine Hinweise. Mir ging es eher um Berufsunfähigkeitsabsicherung und evtl. private Zusatztarife, als um einen Wechsel in die PKV, der sich schnell zum finanziellen Desaster entwickeln kann infolge explosionsartig steigender Beiträge.  
berlin27xxl: Werbung, sich testen zu lassen: Comicszene auf der Castrostreet (San Francisco)  get tested for syphilis
anonymus: Gibt es in Rostok auch die Möglichkeit kostenlos beraten und getestet zu werden?  
sagitta68: Hallo Undine, meine Frage wäre, wäre es möglich den obigen Beitrag ganz oder in Auszügen kopieren zu dürfen für ein lokales "aufklärungs"-projekt?` unter nennung von Autor, Quelle und Link natürlich auf das Orginal, bzw etuxx? Wäre Dir sehr verbunden, mfg alex aus mannheim  
Undine: Hallo Sagitta: Grundsätzlich ja. Aber schreib mir bitte mal an undine@etuxx.com - Dann klären wir die Feinheiten. Grüße nach Mannheim! Wie sieht es denn in Mannheim aus mit kostenlosen Tests?  
sagitta68: Oh, Verzeihung, also in Mannheim gab es letztes Jahr ne Aktion kostenlose Tests beim Gesundheitsamt auf Hep c, HIV und Syphilis. Ist leider ausgelaufen, war nen Projekt. Jetzt aktuell nur noch kostenlosen Test anonym auch auf HIV, Syphilis und Hep C fallen Laborkosten an, die aber zusammengenommen unter 10 Euro betragen. (Stand: Aussage am CSD Stand des Gesundheitsamtes August 2005) Fachbereich Gesundheit - AIDS-Beratung L 1, 1 68161 Mannheim Tel.: 0621-293-2219 (Dr. Richard Henninger) 0621-293-2245 (Ursula Kaiser) 0621-293-2246 (Rainer Misera) FAX: 0621-293-2280 Mail: gesundheitsamt@mannheim.de  
sagitta68: Das Gesundheitsamt der Stadt testet anonym auf HIV kostenlos und Hep c sowie Syphilis gegen Laborkosten, dh. laut Aussage eines Mitarbeiters auf dem CSD August 2005 "unter 10 Euro" für alles zusammen.  
sagitta68: Syphilis auf dem Vormarsch - auch im Münsterland Kostenlose und anonyme Testung im Gesundheitsamt (Stühmerweg 8, Tel.: 0251/492-5362) Informationen am Beratungstelefon der Aids-Hilfe Münster unter 0251/19411  
Housemouse: In Heidelberg gibt es auch noch einen kostenlosen und anonymen HIV-Antikörpertest, Infos siehe: http://www.rheinneckarkreis.kivbf.de/servlet/PB/menu/1303400/index.html