etuxx goes geschlechtskrankheiten III
Shigellen - unbekannte Wesen
 von Dr. Uli Marcus
Dünnpfiff als Geschlechtskrankheit?
Seit Beginn des Jahres 2004 werden in Berlin erneut wahrscheinlich vorwiegend sexuell übertragene Infektionen mit dem Durchfallerreger Shigella sonnei (Shigellenruhr) bei schwulen Männern diagnostiziert. Dabei handelt es sich wie bei den bekannteren Salmonellen um Bakterien, die sich im Darm vermehren, wenn sie versehentlich dort hineingelangen. Bereits vor zwei Jahren hatte es schon einmal eine Häufung solcher Infektionen bei schwulen Männern in Berlin gegeben. Damals waren im Zeitraum zwischen Herbst 2001 und Sommer 2002 nach Daten des Robert Koch-Instituts mindestens 50-60 Männer an Shigellenruhr erkrankt. Seit Beginn dieses Jahres wurden bisher 64 Fälle von Shigellenruhr bei Männern im Alter zwischen 20 und 60 Jahren vorwiegend in den zentralen Bezirken Berlins diagnostiziert. Seitdem ist die Zahl der diagnostizierten Infektionen bis auf 5 pro Woche angestiegen.

Durchfall und Fieber? Antibiotika!
Infektionen mit Shigellen gehören zu den sogenannten fäkal-oral übertragenen Erkrankungen, zu denen auch die meisten anderen Durchfallerkrankungen, aber z.B. auch die Hepatitis A gehören. Die Übertragung erfolgt meistens durch mit menschlichen Fäkalien verunreinigtes Wasser oder Lebensmittel bzw. durch Schmierinfektionen bei unzureichender Händehygiene. Schon die Aufnahme sehr geringer Keimzahlen kann zur Erkrankung führen. Diese beginnt einen bis mehrere Tage nach Aufnahme des Erregers mit Durchfall, Bauchkrämpfen und Fieber. Schwere und Dauer der Erkrankung können von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein. Das Spektrum reicht von eher milden Krankheitsverläufen von wenigen Tagen Dauer mit geringen Beschwerden bis zu schweren Krankheitsbildern mit wochenlang anhaltenden schweren, auch blutigen Durchfällen mit hohem Fieber. Die auslösenden Shigellen vermehren sich im Darm und werden über den Stuhl ausgeschieden. Wenn die Infektion nicht mit Antibiotika behandelt wird, können die Erreger noch mehrere Tage bis einige Wochen nach Ende der Krankheitsbeschwerden weiter ausgeschieden werden. Nach Behandlung mit Antibiotika, auf die der Erreger empfindlich ist, verschwindet der Erreger bereits wenige Tage später aus dem Stuhl. Damit sind nicht nur nur die Bauchschmerzen weg, sondern auch die Infektionskette unterbrochen.

Übertragung:  Welches Loch?
Im Rahmen der Infektionshäufung vor zwei Jahren war ein Teil der Betroffenen nach möglichen Infektionsrisiken befragt worden. Die meisten hatten sexuelle Kontakte mit Männern in der Woche vor ihrer Erkrankung angegeben. Die meisten Erkrankten gaben sexuelle Kontakte in Bars, auf Partys oder in der Sauna an, wo die Partner in der Regel auch kennengelernt wurden. Nur in einem Fall war dem Befragten bekannt, dass ein Partner in der Zeit vor oder während der sexuellen Kontakte eine Durchfallerkrankung hatte. Die Ergebnisse der damaligen Befragung legten nahe, dass zumindest ein großer Teil der Erkrankungen durch sexuelle Kontakte, die einen direkten (lecken!)oder indirekten (z.B. über Finger) Kontakt zwischen Mund und Analregion des Partners beinhalteten, übertragen wurde. Es ist damit zu rechnen, dass die Infektion bei sexuellen Kontakten insbesondere auch durch Personen übertragen wird, die entweder weniger schwer erkranken oder noch über längere Zeit nach Ende der akuten Erkrankung die Erreger über den Darm ausscheiden.

Was tun? Sauber bleiben!
Die Etablierung einer vorwiegend über anal-orale Kontakte übertragenen Erkrankung als sexuell übertragbare Erkrankung bei schwulen Männern ist kein unbekanntes Phänomen. Auch die Leberentzündung Hepatitis A, die auf demselben Wege übertragen wird, tritt immer wieder als sexuell übertragene Erkrankung bei schwulen Männern auf. Es besteht daher kein Grund, die Situation zu dramatisieren.

Auch wenn es für Personen mit wechselnden, insbesondere anonymen Partnern, kein Patentrezept gibt, sich vor einer Shigelleninfektion zu schützen, gibt es einige allgemein gültige Empfehlungen, die jeder berücksichtigen sollte:

•  Wichtig ist, dass Personen, die mit Fieber, Bauchkrämpfen und Durchfall erkranken, zu einer Ärztin ihres Vertrauens gehen, und dass diese daran denkt, eine Stuhluntersuchung zu veranlassen.
•  Während und in den ersten Tagen nach einer Durchfallerkrankung sollte auf sexuelle Kontakte verzichtet werden.
•  Wenn eine Shigelleninfektion diagnostiziert wird, sollte sie mit Antibiotika behandelt werden, die gegen den Erreger wirksam sind, auch um die Dauer der Ausscheidung möglichst zu reduzieren.
•  Betreiber von Bars mit Darkroom und Veranstalter von Sex-Parties sollten dafür sorgen, dass Seifenspender zum Händewaschen in den Waschräumen installiert sind.
•  Saunabetreiber sollten darauf achten, dass Whirlpools ausreichend gechlort werden.
•  Weitere denkbare Übertragungswege sind gemeinsam benutzte, unzureichend desinfizierte Dildos, von mehreren Personen benutzte Dosen mit Gleitmittel z.B. beim Fisten...
•  Der Gebrauch von Kondomen beim Analverkehr bietet angesichts der möglichen Übertragungswege des Erregers keinen ausreichenden Schutz vor einer Shigelleninfektion.

Zur Vermeidung der Übertragung bei sozialen Kontakten sollten an Durchfall erkrankte Personen sich insbesondere vor der Zubereitung von Lebensmitteln und Speisen für andere Menschen gründlich die Hände waschen.
Hinweis: Das Lesen von Texten zu medizischen Themen ersetzt nicht den persönlichen Besuch bei deinem Arzt oder deiner Ärztin.

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geisho: dünnpfiff trinken und dann selbst dünnpfiff bekommen. ist das alles furchtbar. warum gibt es geschlechtskrankheiten? warum darf ich keine dreckigen ärsche lecken? warum muss ich mir immer die hände waschen? warum hasse ich hygiene? warum kann etuxx nicht mal was lustvolles über sex bringen anstatt immer so was abtörnendes?  
undine@geisho: seit wann ist medizinische information lustvoll? du bist aber herzlich willkommen, einen lustvollen text über sex zu bringen, der nicht abtörnend ist. wir werden ihn sicherlich gerne veröffentlichen.  
Mehr davon: Ich finde es durchaus lustvoll, mich beim Sex sicherer zu fühlen. & ich finde solche Texte wunderbar, die nicht um die Infektionen rumreden, sondern praktisch & klar zur Sache kommen.  
Halford: Ganz Deiner Meinung.