Hepatitis C
Steht Berlin vor einer Epidemie?
von Undine Undulanz


HCV-Modell-Zeichnung
bunte HCV-Modell-Zeichnung































Selbst wer - um sich vor HIV zu schützen - konsequent Kondome verwendet, sollte ein Auge auf sexuelle Praktiken oder andere Situationen haben, bei denen es zu Kontakten mit kleinsten Blutmengen kommt.

Wieder einmal hat ein Schreiberling einer schwulen Website - diesmal mit dem genialen Namen etuxx"gayboy.at ...wissen, was läuft" - einen Satz auf einer medizinischen Konferenz aufgeschnappt. Wieder einmal sollte eine Schlagzeile daraus werden. "London steht vor einer Epidemie: Die Schwulen in London kämpfen mit Hepatitis C."

etuxx nahm dies zum Anlass, seinen LeserInnen Informationen zu Hepatitis C zur Verfügung zu stellen, die nicht mit dem etuxxgay panic syndrome infiziert sind.


Was ist Hepatitis C?
Hepatitis C ist eine Entzündung der Leber, die durch das Hepatis-C-Virus (HCV) hervorgerufen wird. Diese Entzündung kann akut verlaufen und danach spontan ausheilen, oder aber chronisch werden. Nicht jede Infektion mit HCV führt jedoch zu einer Leberentzündung. Warum das so ist, und warum sie - je nach Datenlage - in 60-80% einen chronischen Verlauf nimmt, ist unbekannt. Überhaupt wurde der Erreger der Erkrankung erst 1989 identifiziert. Mittlerweile sind sowohl HCV-Antikörpertests auf dem Markt, als auch Tests zur Bestimmung einer genetischen Sequenz des Virus (Nachweis von Virus-RNA, was nicht gleichzusetzen ist mit infektiösem Virus). Mit dem Virus-RNA Nachweis wird - analog zu HIV - eine sogenannte Viruslast berechnet, die Auskunft geben soll über das Ausmaß der Erkrankung. Im Gegensatz zum Hepatitis-A- bzw. Hepatitis-B-Virus (HAV bzw. HBV) konnte das Hepatitis-C-Virus bislang nicht isoliert dargestellt werden. Weder sind die Infektionswege eindeutig geklärt noch der genaue Mechanismus der möglichen (aber nicht notwendigen) Leberzellschädigung bekannt. Auch gibt es keinen Impfstoff gegen HCV.

Wie ist das mit Hepatitis A und B?
Gegen HAV und HBV existiert seit einigen Jahren ein Kombinationsimpfstoff, der auch im Jahre 2004 für Menschen mit hohem Expositionsrisiko von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt wird. Sexuell aktiven Menschen mit wechselnden PartnerInnen wird eine HBV-Impfung dringend empfohlen, mittlerweile wird in der BRD allen Menschen unter 18 Jahren eine kostenlose Impfung gegen Hepatitis B angeboten. Wer anale Sexpraktiken mag, sollte sich außerdem gegen Hepatitis A impfen lassen, da hier der beim Analverkehr und insbesondere beim Rimming übliche Kontakt mit Kot ein Infektionsrisiko darstellt. HBV wird hingegen ausgesprochen leicht und bei jeder Form sexueller Kontakte übertragen; hier gelten sämtliche Körperflüssigkeiten als grundsätzlich infektiös.

Wird Hepatitis C sexuell übertragen?
Das Robert-Koch-Instituts in Berlin schätzt, dass 0,7% der Bevölkerung mit HBV, 0,4% mit HCV infiziert sind (Prävalenz). Für schwule Männer ist eine solche Zahl nur schwer zu berechnen, weil unbekannt ist, wie viele schwule Männer es in Deutschland gibt.

In dem verlinkten Text wird behauptet, es sei "ganz klar ersichtlich, dass die Londoner Gay-Community derzeit mit einer akuten Hepatitis C-Infektion zu kämpfen hat, die epidemieähnliche Züge trägt." Der Autor meint auch ganz sicher zu wissen, was der Grund dafür sei: "ungeschützter passiver Analverkehr".

Dies ist jedoch unwahrscheinlich, denn größere Studien anderswo kommen zu anderen Ergebnissen. So wurden beispielsweise in den Jahren 1997 bis 2000 981 Menschen in San Francisco, die sich wiederholt auf HIV testen lassen wollten, zu ihrem Sexualverhalten befragt und auf HCV-Antikörper getestet. In diesem Kollektiv betrug die Prävalenz 2,5%; diese Menschen hatten also ein höheres Risiko, sich anzustecken, als die Allgemeinbevölkerung in Deutschland. Für die 746 Menschen dieser Gruppe, die keine intravenösen Drogen gebraucht hatten, konnte kein Zusammenhang zu "sexuellem Risikoverhalten" festgestellt werden, da es in dieser Gruppe für diesen Zeitraum zu keiner einzigen Übertragung gekommen war (jedoch zu 10 HIV-Infektionen). etuxx Quelle

Auch eine 2003 veröffentlichte Untersuchung an 17586 PatientInnen in 14 urologischen Kliniken in Grossbritannien kam zu dem Schluss, das HCV nur extrem selten sexuell übertragen wird. etuxx Quelle

Nun könnte man einwenden, dass die beiden angeführten Studien nicht ausschließlich mit schwulen Männern durchgeführt wurden. Stecken sich schwule Männer beim Sex leichter an als andere? Es scheint, dass nein! Eine im Jahr 2001 durchgeführte kanadische Studie konnte bei 1085 HIV-negativen sexuell sehr aktiven schwulen Männern über einen Zeitraum von einem 3/4 Jahr nur eine einzige Ansteckung mit Hepatitis C nachweisen. Diese Ansteckung trat bei einem Nutzer intravenöser Drogen auf. etuxx Quelle
Das Spritzen von Drogen birgt mit Abstand das größte Ansteckungsrisiko für Hepatitis C. Diese Studie zeichnete sich dadurch aus, dass erstmals penibel auch nach anderen bereits bekannten Ansteckungswegen gefragt wurde: z.B. Fisten, bei dem es leicht zu Blutungen kommt, das gemeinsame Benutzen von Koks-Röhrchen (hierbei fängt die Nasenschleimhaut leicht an zu bluten), aber auch Piercings und Tatoos, je nach den hygienischen Verhältnissen des "Studios", bergen ein hohes Übertragungsrisiko.

Die Botschaft muss also in erster Linie lauten: Selbst wer - um sich vor HIV zu schützen - konsequent Kondome verwendet, sollte ein Auge auf sexuelle Praktiken oder andere Situationen haben, bei denen es zu Kontakten mit kleinsten Blutmengen kommt.

Berliner HIV-Schwerpunktpraxen berichten allerdings - ähnlich wie in dem verlinkten Artikel dargestellt - dass sie vermehrt Hepatitis C Infektionen bei Menschen mit HIV beobachten. Diese Beobachtung wird durch eine Schweizer Studie an HIV-positiven Schwulen tendenziell gestützt, obwohl die Übertragungsraten auch hier klein waren. etuxx Quelle
Es ist plausibel anzunehmen, dass ein geschwächtes Immunsystem den Eintritt des Hepatitis C Virus erleichtert. Andererseits wurden in dieser Studie andere relevante Übertragungswege als der Gebrauch intravenöser Drogen nicht abgefragt. Insofern ist nach wie vor unklar, ob die Menschen mit HIV in dieser Studie sich wirklich über ungeschützen Analverkehr mit Hepatitis C angesteckt haben, oder ob die Infektion nicht doch über andere Wege zustande kam. Von der Tatsache einer HIV-Infektion alleine auf einen sexuellen Übertragungsweg zu schließen, halte ich für voreilig und tendenziell diskriminierend.

Gibt es eine Therapie gegen Hepatitis C?
Mittlerweile stehen nebenwirkunsreiche aber potente Möglichkeiten zur Therapie der Hepatititis-C Infektion zur Verfügung. Ob die Therapie anschlägt, hängt jedoch sowohl vom nach Zeitpunkt des Therapiebeginns und vom Virustyp ab. Wie so oft sind die Hersteller der Tests mit den Herstellern der Medikamente identisch. Über die Güte der Tests liegen in Ermangelung eines Goldstandards zur Testeichung nur wenige gute Daten vor. Eine gewisse Skepsis gegenüber Verlautbarungen der Pharmaindustrie zur Häufigkeit der Hepatitis C und zu den Therapieerfolgen ist also angebracht.
Je nach Immunlage kann jede chronische Form der Leberentzündung im Laufe vieler Jahre zur Leberzirrhose führen; das bedeutet, dass - salopp gesagt - die Leber ihren Geist aufgibt. Menschen mit Leberzirrhose haben eine deutlich eingeschränkte Lebenserwartung. Hauptursache für eine Leberzirrhose sind in Deutschland allerdings nicht Hepatitis-B- oder -C-Viren, sondern das Saufen.

Fazit
Auch wenn der ungeschütze Analverkehr also für Menschen ohne HIV praktisch kein, und für Menschen mit HIV nur ein kleines Risiko einer Hepatitis C Infektion darstellt, soll dieser Text in keinem Fall entmutigen, Gummis zu benutzen. Nach wie vor gilt: Kondome schützen!.
Eine Ansteckung mit Hepatitis C erfolgt im wesentlichen über andere Wege. Und von einer Epidemie in London oder Berlin kann - auch bei Menschen mit HIV - keine Rede sein.
außerdem erschienen:
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sagitta68: Na ja, Entwarnung ist anders. Bei nem Freundeskreis von ca. 20 Leuten mit denen ich so was intimes "bereden" würde, haben sich im letzten jahr 2 (positive) mit Hep C infiziert. Mir macht das ein wenig Angst!!!