Mehr Geld und mehr Hirn!
Darf der diesjährige Berliner "Queer-gegen-rechts"-CSD noch kritisiert werden? Ein CSD, der so viele emanzipative Forderungen wie nie zuvor in seinem Katalog hat? Fast alle Forderungen früherer Gegen-, Parallel- oder Anschluss-CSD-Module, wie die des "1. internationalen CSD" durch den Osten"(1993) oder die des Katzennahrungs-CSD mit Herz und Hirn-Block (1998), sind aufgenommen. Nein, wir BerlinerInnen stellen uns dieses Jahr qu(e)er gegen rechts, zu mindest hat das die sich im letzten Herbst gegründete Gruppe "queer gegen rechts" aktiv in die Vorbereitung eingebracht.

Und dafür gibt es auch den Zivilcouragepreis. Ja, so schnell kann es gehen, wenn man auf den richtigen Zug oder sagen wir lieber Medienhype aufspringt, Gruppe gründen, auf der offiziellen Anti-Nazi-Standort-Deutschland-ist-gefährdet-Demo der Bundesregierung am 9. Nov. 2000 teilnehmen, sich in die Vorbereitung des CSD einklinken, Zivilcouragepreis abfassen. Doch dadurch hat der CSD jetzt endlich eine Forderung, wie sie sonst nur die "Kreuzberger Antipatriachale Plattform" formuliert hätte. Und wir von dieser Plattform sind dieses Jahr selber nur platt: "Gut-Besser-Kreuzberg". Nur die Loveparade kann ähnlich eierkuchenplatte Losungen formulieren.

Der Zivilcouragepreis soll auch an das "Schwule Überfalltelefon" gehen. Ich finde, zu Unrecht. Um es vorwegzunehmen: die Arbeit des Überfalltelefons ist wichtig. Doch es gibt durchaus auch dunkle Seiten der Opferbetreuung. Der ewige Konflikt der Homosexuellenbewegung – Integration oder Revolution? - wird daran wieder einmal deutlich.

Zur Geschichte: Um 1990 entstanden parallel zwei Notruftelefonnummern, um den sich häufenden Überfällen in Parks oder auf Kneipen (z.B. Burgfrieden) etwas entgegenzusetzen. Die Ansätze waren unterschiedlich. Während Ehrenamtler beim Überfalltelefon des Mann-O-Meters die Notrufe annahmen, die Opfer betreuten und die Anrufe nur auf Wunsch zur Polizei weiterleiteten, versuchten die alternativen schnellen Eingreiftruppen (SchwuZ/Cafe anal-Umfeld) selbst tätig zu werden, auch ehrenamtlich.

Man traute der homophoben Polizei nicht. Bis gestern hatten die Herren und Damen in Grün noch den §175 umgesetzt, um einem heute angeblich zu helfen. Das wollte man nicht wirklich glauben. (Erst die DDR hatte dessen Abschaffung mit in die "deutsch-deutsche Homoehe" gebracht.) Des Weiteren wollten die "Eingreiftruppen" auch für die Schwulen da sein, die keinen deutschen Pass haben. Oder sollte jemand, der nicht mal eine Aufenthalterlaubnis hat, seine Abschieber im Notfall rufen?

Zwei Notrufnummern sind natürlich Quatsch, doch da gerieten sie wieder aneinander die Integrationisten und Revoluzzer. Sie wollten sich einigen, doch es gelang nicht. Die einheitliche Notruftelefonnummer war zwar geschaffen, vom Senat auch Geld für eine Stelle fürs Überfalltelefon vom Mann-O-Meter organisiert, doch viele der Eingreiftruppe, die sich bis dahin engagiert hatten, wollten sich mit dieser Lösung nicht zufrieden geben. Eine Autonomen- und Kollektivkultur der 80er hatten bei den Aktivistinnen der "Eingreiftruppe" eine anderes Verständnis von Lösung von Problemen hinterlassen.

Ein Grund für den Streit war, dass ein Anruf bei der Notrufnummer nach Ehrenamtlers Dienstschluss oder wegen Krankheit direkt zur Polizei weitergeleitet wurde. Aus guter Absicht zwar, um den Opfern eventuell zu helfen. Damit war klar, wessen Linie sich durchsetzten wird. Ein weiterer Kritikpunkt war immer die Besetzung der Stelle. Mitglieder der Eingreiftruppe hatten immer damit gerechnet, dass eine solche Stelle aus ihren Kreisen besetzt wird, doch die damalige MOM-Führungsetage hatte sich für einen anderen entschieden... .

Die Kritik riss niemals wirklich ab, z.B. beim sogenannten Polizeireport des Überfalltelefons. Natürlich stimmte es in den jeweiligen Fällen, dass der Täter "südländischer, wahrscheinlich türkischer" Herkunft ist. Doch wer gebetsmühlenartig solche Aussagen zur genaueren Täterbeschreibung in Statistiken macht, muss sich auch bewusst sein, diffuse Ängste auf eine "Rasse" oder einen Hauttyp zu lenken. Zumindest, wenn er nicht auch zugleich versucht, Umstände, die dazu führten, zu beschreiben. Ein heißes Eisen, denn als das Überfalltelefon 1995 von der damaligen "schwulen Antifa" bei einer gemeinsamen Diskussionsveranstaltung darauf angesprochen wurde, lehnte es dies ab, sagte, man mache Opfer- keine Täterarbeit.. Wenn die unkommentierten Prozentzahlen der Täter mit "Länderzuordnung" neben die "Überfremdung"- und "Arbeit-zuerst-für-Deutsche"-Parolen gestellt werden, sind sie eben nicht mehr nur Opferarbeit. Darin liegt der Fehler, der Ansatz des Überfalltelefons ist zu eng!

Dieser muss breiter sein, sich nicht nur auf schwule Opferarbeit beschränken. Dazu braucht das Überfalltelefon mehr Geld. Ein entsprechend dotierter "Ehrenamtlerpreis für Opferarbeit" anstelle eines Zivilcouragepreises wäre da angebrachter. Das Überfalltelefon, von einem "Bezahlten" und 9 Ehrenamtlern betreut, leistet gute Arbeit für die Opfer, dafür gebührt ihnen auch Dank und Anerkennung. Aber ein Zivilcouragepreis für eine Opferbetreuung, die im gleichen Atemzug eine rassistische gesellschaftliche Stimmung mitschürt, die andere Minderheiten zum "Sündenbock" macht, ist nicht gerechtfertigt. Zu Zivilcourage gehört nämlich ein bisschen mehr, nämlich sich mutig gegen so einen Mainstream zu stellen.

Also kein Zivilcouragepreis aber mehr Geld und mehr Hirn fürs Überfalltelefon!!!


Anlässlich der bevorstehenden Auszeichnung interviewte die Queer schon das Überfalltelefon, wer sich ein Bild machen will: hier

PS: Eine ganz andere Zivilcouragepreisvergabe ging letztes Jahr schon mal, aber ganz anders schief.

-- von Robert M.

hier gehts zum Überfalltelefon
Thomas Mogra: Ich kann nicht wirklich erkennen, was die Kritik an Queer-gegen-rechts sein soll. Manchmal habe ich das Gefühl, ein gewisser Teil der Szene möchte den Antifaschismus gerne weiterhin exklusiv für sich behalten. Eine gefährliche Einstellung in dieser Zeit.  
Michael Schmidt: Geschäftsführer (sic!) des"Berliner CSD e.V.": "Die schrille Tunte mit der Federboa ist eine Verkürzung unseres Anliegens." Anti-Fummel-Fraktion, übernehmen sie.  
Thomas Mogra: Und Kritik am Preis für Paul Spiegel, habt Ihr die auch? Oder wisst Ihr nicht, wer das ist?  
Silvio Berg: An Queer-gegen-rechts-Kritik (Gruppe als auch CSD-Motto) lese ich hier nichts, sondern eher an der Überschallgeschwindigkeit mit der die Gruppe von Gründung bis zur Preisverleihung geflogen ist, d.h. dann also eher Kritik natürlich an denen, die die Preisträger aussuchten! Weil die Gruppe ja nix dafür kann. Und an dem CSD-Motto wurde gar nichts gemäkelt, sondern selbstkritisch Eierkuchenplattheit analysiert. Ich finde den Text informativ. Und ich habe mich z.B. wegen genau dieser rassistischen Überfallstatistiken auch nicht beim ÜFT gemeldet.  
Stjopa: Gibt es irgendwo Informationen über die inhaltliche Arbeit der Gruppe "Queer gegen rechts"? hab ich auch schon mal an anderem Ort gefragt und keine Antwort bekommen. Bisher weiss ich nur, dass wohl überwiegend Lesben mitarbeiten und dass das ganze irgendwie mit dem Sonntagsklub liiert ist. Noch eine Frage: wie war denn das mit dem "braunen Stöckel"? Ging der nicht auch mal an das Überfalltelefon, oder nur generell an MannOMeter?  
Sascha B.: Der Artikel bezieht sich (leider) fast ausschliesslich auf das Überfalltelefon. Die Kritik an der Preisverleihung (und das heisst auch: am antifaschistischen Pseudo-Anspruch des CSD e.V.) ist bei weitem nicht grundsätzlich genug. Wirkliche Zivilcourage beweisen täglich (und unter wirklicher Gefahr) viele Einzelne, nicht Institutionen oder Repräsentanten. Wenn schon, dann gehören diese Unbekannten geehrt.  
Sascha B.: Die Verleihung des Preises an Paul Spiegel ist feige und lächerlich. Feige, weil man sich damit überhaupt nicht positioniert; Paul Spiegel als Preisträger ist natürlich d´accord - und das genau ist das Unpolitische daran. Lächerlich ist es, weil Paul Spiegel diesen Preis nun wirklich nicht braucht: ein Verein, der einen Warm-Up für die Loveparade veranstaltet, ist moralisch arg überfordert damit, dem Repräsentanten der jüdischen Gemeinden in Deutschland einen Preis zu verleihen. Und demnächst bekommt Paul Spiegel noch den Toleranzpreis der Berlin-Brandenburger Brieftaubenzüchter, oder wie?!  
Thomas Mogra: Natürlich ehren nicht wir Paul Spiegel, sondern er ehrt uns. Oder, um in der Sprachwelt der Sektierer zu bleiben, hier machen wir Bündnissarbeit. Euch muss das natürlich lächerlich erscheinen.  
Thomas Mogra: Denn Ihr hättet, das kann man wohl schlüssig annehmen, 1933 auch die Sozialfaschisten von der SPD bekämpft. Damit es erst noch schlimmer werde, bevor es besser wird. Tut mir leid, aber jede Unterstützung gegen rechts ist gut genug für mich.  
Sascha B.: Thomas, Deine Antwort geht an meiner Kritik vorbei: Es ist mir klar, dass sich der CSD mit Paul Spiegel "schmückt" und nicht umgekehrt. Aber eben das halte ich für inopportun. Dein ziemlich abstruser Rekurs auf so etwas wie den "Sozialfaschismus-Vorwurf" macht mich ratlos. Du hast Deine ideologischen, bürgerlich und durch den üblichen vorauseilenden Gehorsam geprägten Vorurteile gegenüber allem, was gerade auch selbstkritisch auf die Schwulen bezogen ist, offenbar derart kultiviert, dass Du ohne einen panisch antikommunistischen Rekurs gar nicht mehr auskommst.  
Sascha B.: Bitte unterlasse es, die "Redaktion" oder "ETUXX" oder uns und unser "Umfeld" über einen Kamm zu scheren. Wir sind keine Partei und auch nicht im Entferntesten etwas Ähnliches. Und ich nehme hier in Anspruch, erstmal für mich zu sprechen. Wenn ich Dir sage, dass mir ein Bündnis mit Sozialdemokraten (und z.B. auch kritischen Christen und Gewerkschaftern) willkommen ist , eines mit Maoisten und Stalinisten aber niemals, dann heisst das aber keineswegs, dass ich eine Fundamentalkritik am CSD e.V. deshalb für unmöglich hielte. Eure "Bündnispolitik" ist längst schon "gegessen".  
Thomas Mogra: Nochmal, in aller Deutlichkeit: ich halte einen queer-gegen-rechts-CSD für einen riesigen Fortschritt. Wir sprechen damit Leute an, die Ihr niemals erreichen werdet, und auch nicht erreichen wollt. Ich zitiere aus obigem Text: "Wir von der Plattform sind dieses Jahr selber nur platt". Wem hilft das? Dem nächsten von Nazis Erschlagenen?  
nancy: thomas, besser als "wir sprechen leute an" wäre, wenn ihr auch etwas zu sagen hättet. unter dem motto "gegen rechts" einen preis zu verleihen an eine gruppe, die ihre gewaltreporte mit rassistischen zuschreibungen garniert -- das spricht bände. "gegen rechts": in diesem zusammenhang ist das einfach zeitgeist.  
nancy: und den sozialfaschismus kannst du stecken lassen. sag doch mal, warum folgendes in deinen augen nicht rechts ist: grenzkontrollen, bei denen leute aus ärmeren gegenden der welt massenhaft abgewiesen werden; polizistInnen, die nach hautfarbe ausweis verlangen, weil sie dunkelhäutige nicht für deutsche halten; internierung von asylsuchenden, beschränkung ihres aufenthaltsorts und ausgabe von verpflegungsmarken statt geld zum lebensunterhalt; knäste, um menschen einzusperren, die keinen hiesigen pass besitzen und deshalb verschwinden sollen; minister, die wahlen mit rassistischer hetze gewinnen, leute, die sie wählen -- und dann treffen minister und volk sich zum "aufstand der anständigen"...  
nancy: ach, und dann erklär mir doch bitte noch, warum du meinst, der berliner csd sei ganz was anderes als so ein aufstand des guten gewissens.  
Sascha B.: Danke, Nancy, für Deine Beispiele und die Unterstützung. Na, dies wird aber jetzt wirklich der "Haupt-Foo" auf Etuxx, woll?! :-) (just for you!)  
Thomas Mogra: Mal angenommen, Du hättest recht, nancy. Warum wird dann hier kein einziger der genannten Punkte kritisiert, sondern -ausgerechnet- der Berliner CSD? Vielleicht sind wir nichts anderes als ein Aufstand des guten Gewissens. Vielleicht sind wir zu doof, das ganze, grosse Böse auf einmal ins Auge zu fassen. Vielleicht müssen wir dafür dringend kritisiert werden. Ich danke für das moralische Hochamt. Machen wir einen "normalen" CSD, ohne unseren unreinen Antifaschismus.  
Pura Wahn: Schlechte Ironie ist kein guter Beitrag. In etuxx gibts mehr jede Menge Kritik (auch positive) an der Gesellschaft. Hier wird kritisiert, dass der CSD, wie jedes Jahr, einfach auf einen schicken Trend aufspringt. Dazu spricht der Vizebürgermeister, dann Herr Thierse (ein Befürworter der Verschärfung der Asylgesetzgebung) und es gibt einen Preis für ein Projekt, dass schon seit langem auf Grund seiner rassistischen Reporte umstritten ist. Das ist Politik zum Selbstzweck (Geld muss an MOM fliessen, sonst ist's Essig mit der Stelle).  
Pura Wahn: Wer den Anspruch hat, politisch korrekt zu sein, sollte sich vorher überlegen, was er tut. Wenn Inhalt und Werbung nicht zueinander passen, muss er sich dann auch Kritik gefallen lassen (z. B. war die Kritik am Überfalltelefon bekannt, wieso trozdem der Preis? Macht das Sinn? Oder gibts 'ne inhaltliche Gegendarstellung zu den Vorwürfen?).  
RE: Pura Wahn: Wer den Anspruch hat, politisch korrekt zu sein... Du verwechselst die Seiten.  
Linktipp: Die Basis69 Seite des letzten CSD, mit fotos,  hier
Linktipp: Die Basis69 (das ist der sog. Kreuzberger CSD) Diskussionsgruppe. Du brauchst einen Yahoo-Acount zum Teilnehmen (ich hoffe mal, das ist nix geheimes)  Basis 69
Zum Überfalltelefon: "Die einfachsten Tatsachenerklärungen werden nicht berücksichtigt: Zum Beispiel befinden sich die Schwerpunkte der Schwulenszene (Schöneberg, Charlottenburg, Kreuzberg) auch an den Lebensorten der meisten berliner MigrantInnen. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, in Kreuzberg von Jugendlichen nicht-deutscher Herkunft angemacht zu werden, ist einfach schon deswegen höher, weil es einfach mehr von ihnen gibt. Das macht auch die Ost/West-Verteilung deutlich: Übergriffe in Prenzlauer Berg und Friedrichshain sind nicht seltener, werden aber von deutschen männlichen Jugendlichen verübt. Überall dort, wo Schwule offen auftreten, werden sie auch zum Ziel von Angriffen."  
Marcie: Der obige Beitrag stammt aus einer diplomarbeit von Tjark Kunstreich. Reichlich Argumente gegen eine Preisverleihung ausgerechnet an diese Gruppe gibts bei  basis69@yahoogroups.com
pradameinhof: toll nancy, toll sascha, marcie & pura wahn, wie elegant-eloquent ihr die bürgerlichen csdler hier so flott rausdiskutiert habt. endlich darf wieder auf gleicher augenhöhe alles weitere durchgequatscht werden.  
Gast2345: Ausgerechnet Etuxx. Erst Rassistenscheisse verbreiten und dafür gehackt werden - dann den ersten politischen CSD seit Jahren anpisssen.  
pradameinhof: gast 33-45! wer hat dir ins gehirn geschissen?  
Mutti: Hallo Sascha B.: Irgendwie nachvollziehbar, deine Kritik am Zivilcouragepreis für Paul Spiegel. Aber trotzdem doof, weil für ihn als Vertreter aller jüdischen Gemeinden in Deutschland - also auch den eher konservativ-homophoben - die Annahme dieses komischen Homo-Preises durchaus mutig ist. Seine Rede beim anständigen Aufstand war es übrigends uch. Den Zoff zwischen linken und nicht so linken Schwulen interessiert doch sowieso niemanden außerhalb. Äh...versteht daß jetzt überhaupt jemand was ich eigentlich sagen wollte?  
Sascha B.: Ja.  
Gigi: Hallo Mutti! Meines Erachtens geht es nicht um den Konflikt zwischen Linken und nicht so Linken, sondern darum, ob man erkennt, dass das, was die Nazi-Schläger betreiben, nur das konsequente Einfordern der Werte ist, die die Mehrheitsgesellschaft seit Jahr und Tag propagiert: den Rechtsanspruch auf gesicherte Reproduktion qua Geburt als "Deutscher", die Abscheu gegen "Sozialschmarotzer", "Asylbetrüger" und "kriminelle Ausländer". Wer diesen Zusammenhang ausblendet und den Rassismus als "rechten Rand" von der deutschen Mehrheitsgesellschaft abspaltet, betreibt ideologische Vernebelung.  
Gigi: Denn er spricht die ganz normalen Rassisten frei und erlaubt ihnen, die Nazi-Parolen wie "Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein" (Laurenz Meyer) unverdächtig zu übernehmen.  
Gigi: Es gibt sogar eine Sorte "Antifaschisten", die man genauso bekämpfen muss wie die Nazis. Ich zitiere: "Wir töten euch alle. (...) Es gibt nur eine Sprache, die ihr asoziales, braunes Ost-Pack versteht: Tod durch Baseballschläger. Erst dann wird Deutschland wieder ein weniger sauberer sein."  
Stjopa: Wo isn das Zitat her Gigi?  
Silvio Berg: Das von Robert beschriebene Problem der Anpassung oder Auflehnung ist doch weiterhin auch D E R Streitpunkt. Das ÜFT hat sicher viel für den Abbau von Homophobien bei der Polizei getan, heute ist auch nicht mehr 1990, aber wer keinen "westeuropäischen" Pass hat, wird auch eine homofreundlichen Bullen rufen. Der tollerer Weg wäre doch, es gäbe ein Finke-ÜFT und eine (AE alternative Einschreitgruppe) oder eine ÜFT-Reflexionsinstanz. Sowas gibt es vielleicht, aber nur im eigenen Brei mit der eigenen Melodie oder über die "politische Anpisse" wie hier.  
nancy: silvio, natürlich ist okay, dass die bullen keine homos mehr wegen des homoseins zusammenschlagen -- aber das gehört sich ja wohl auch so. und arbeit mit opfern ist harte, notwendige arbeit. ich finde nur, dass mit dem überfalltelefon zwei sehr unangenehme dinge verbunden sind: wie es sich gegen eine selbstorganisierte gruppe durchgesetzt hat und das festhalten an seinen rassistischen gewaltberichten. beide lassen sich nicht (nur) damit erklären, dass bei m-o-m seit 10 jahren blödmänner sitzen, sondern haben mit der vielgelobten professionalisierung zu tun: mit bezahlten stellen, mit lobbyarbeit, um geld ins eigene projekt zu holen, und mit einem typ von berufsfunktionär, der dabei entsteht.  
nancy: professionalisierung bringt mit sich, dass repräsentanten im namen einer szene auftreten. dazu braucht es ein wir-gefühl und das wird in gewaltreporten ebenso konstruiert wie im csd. (das ist ein grund, warum ich nicht glaube, dass der csd politisiert werden kann -- er ist fest in der hand von leuten, die ihn so machen müssen, wie er ist, weil ihr einkommen davon abhängt.) übrigens ist egal, ob man zur schwulen wir-gruppe gehört (gehören will) oder nur überall ihren mitgliedern ausgesetzt ist, wo man sich amüsieren will -- egal also, ob man verliebt in die schwule identität oder identitätskritikerin ist: man kann auf jeden fall dagegen sein, dass diese identität rassistisch hergestellt wird.  
Gigi: hallo stjopa! es war das gästebuch der stadt sebnitz. das zitat hätte ich mir eigentlich sparen können. ich wollte damit - etwas unbeholfen vielleicht - ausdrücken, dass es einen staatlichen bzw. zivilgesellschaftlichen antifaschismus gibt, der in seiner artikulation dem, was er bekämpft, bis zur verwechslung ähnelt. dieser antifaschismus erklärt nazis zum volksfeind wie ehedem die "asylbetrüger" und "sozialschmarotzer" und vergisst, dass sie fleisch vom eigenen fleische sind, die lange jahre mit verständnis rechnen konnten.  
Gigi: ansonsten kann ich nancy nur recht geben. ich würde allerdings das überfalltelefon als stinknormale, vom staat geförderte organisationsform von rassismus betrachten, unabhängig davon dass es sich jetzt zufällig um ein "schwules" überfalltelefon handelt. denn einen "spezifisch schwulen" rassismus zu konstruieren, wäre fast dasselbe, wie von einer besonderen "ausländerkriminalität" zu sprechen. natürlich kann man darüber hinaus /auch/ thematisieren, dass der rassismus einigen schwulen als "Medium der Anpassung" dient. aber das darf in my opinion nicht die hauptargumentslinie sein.  
Mutti: Es werden hier Dinge behandelt, die ich nicht mehr verstehe. Also: ich lese z.B. die Zeitschrift Konkret. Da muß ich mich auch total zusammenreißen, um die Zusammenhänge zu verstehen. Aber weil es mich interessiert, tue ich es trotzdem. Bei euch verstehe ich garnix mehr. Was ihr so sagt. Welche abgefuckte Uni-Ebene ist das? Das ist - wilde These - die Tragik der unbezahlten Dialektik der aufgeglährten Laberei oder so.  
Sascha B.: Och Mutti, nun stell Dein Licht mal nicht unter´n Scheffel! Du verstehst, glaub´ ich, ziemlich gut, wovon da oben die Rede ist - aber könnte es vielleicht sein, dass du keine Lust (mehr) hast auf derlei Diskussionen (nach all den Jahren...)?  
Silvio: Nancy und Robert: Wie soll denn eine Arbeit ohne Professionalisierung aussehen? (Wenn schon die Professionalisierung Mitschuld am System CSD trägt?) Der Analrückblick (anderer Diskussionsstrang) zeigt doch deutlich, dass die Kollektive auseinanderbrechen. Ich finde das ÜFT so schlimm wie ihr, doch die "Eingreiftruppe" hätte es heute nicht mehr gegeben - und Nachfolger auch nicht. Bei der ganzen Professionaliesierung sollte man aber nicht die Basis verlieren. Das Hilfepotential was "schwule Selbstverteidiger" für "Illegale" haben müßte neben den "Homophobieabbaukursen bei Bullen" des ÜFT stehen. Und nicht dieses entweder oder?  
für Sascha: Zu Paul Spiegel: Wie wichtig ein Z-Preis auf dem CSD für ihn ist, zeigt die Meldung, dass auf dem Weltkongress der schwulen, lesbischen, bisexuellen und transsexuellen Juden (WCGLBTJ) vom 14.-17. Juni in München nicht alles homophil ist. Yachad, die Vereinigung lesbischer Jüdinnen und schwuler Juden, die die Konferenz mitorganisiert, hatte bei der Israelitischen Kultusgemeinde darum gebeten, deren Räume nutzen zu dürfen. Doch die orthodoxe Israelitische Kultusgemeinde sagten ab. Die Gemeinde sagte, es sei nicht zulässig, als Jude homosexuell zu sein. Die liberalen jüdischen Gemeinde Beth Shalom sprang helfend ein und stellt ihre Synagogenräume zur Verfügung.  
Sascha B.: Lieber Silvio, soll das jetzt heissen, die Auswahl der Preisträger sei unter taktischen Gesichtspunkten erfolgt? Das wäre ja nicht fern von dem, was ich auch behaupte, nur eben "andersherum". Wie Thomas Mogra bestätigt hat, ehrt eigentlich Paul Spiegel (eben mit der Annahme des Preises) den CSD e.V. - und nicht umgekehrt. Das hätte ich gerne in einer Presseerklärung gelesen: "CSD e.V. stärkt den liberalen (den Reform-)Flügel der Juden in Deutschland.".  
Sascha B.: Und wie verhält es sich, wenn man es so sieht, mit dem Preis für das Überfalltelefon? Soll dadurch der doch wohl kaum rudimentär vorhandene Antifaschismus dieser Institution auch be-/gestärkt werden? Ich bin einfach nicht genug zuhause in der etablierten Politik, ich merke es schon, aber es ist natürlich völlig einleuchtend, es ist überhaupt ganz simpel: eine Preisverleihung verpflichtet den Preisträger, nicht den Verleihenden!  
etuxx (ll): Das Flugblatt des Kreuzberger CSD mit Bezugnahme auf das Überfalltelefon ist jetzt online abzufragen:  Kreuzberger CSD-Flugblatt
Bella: Spannende Diskussion. Zum Motto "queer gegen rechts" folgendes: Ein politisches Motto! SUPERGEIL! Ein Motto, mit dem wir uns offensiv an "Normalos" wenden können!! SUPERSUPERGEIL!!! Der Sozialfaschismusbeitrag ist nicht absurd, denn tatsächlich steht Paul Spiegel im Kampf gegen Nazis doch zunächst mal auf unserer Seite. Das scheinen einige von euch aus den Augen verloren zu haben.  
Bella: Auch ich finde es problematisch, statt der Gemeinsamkeiten zuallererst die Unterschiede zu betonen. Klar, antikapitalistische Bestrebungen hat unser Paul nicht, aber ein guter Antifaschist ist er. Und mit einem solchen Motto können wir - jenseits der etablierten Politik und rassistschen Strukturen - eine Mehrheit in diesem Land ansprechen. Raus aus dem Getto, rein in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen!  
Bella: Und wenn euch der Aufstand der Anständigen nicht weit genug geht - dann müsst ihr dort sein und mit den Leuten über weitergehende Sachen reden. Nur weil die Politiker die Veranstaltung instrumentalisiert haben - die 300.000 bundesweit, die waren gegen Nazis und Intoleranz auf der Straße. Und dadurch auf offen für Kritik am Bestehenden. Dadurch, dass man diesen Leuten abspricht, dass sie auf unserer Seite sind, oder dass man gar nicht erst hingeht, weil eh alles so scheiße ist, verändert man doch gar nix. Große Worte ohne große Taten bringen nix. Okay, jetzt hab ich mich ausgetobt. Ich hoffe, es fühlt sich keiner von mir auf die Füße getreten.  
Bella: Zu Stjopa: Ich kenn Leute von "Queer gegen Rechts". Leider weiß ich grad keine Adresse. Aber wenn du echt Interesse hast, könnt ich irgendwie vermitteln.  
Bella: Die e-mail-adresse von "Queer gegen rechts!" lautet: qgr2000@yahoo.de - für alle Interessierten!  
Robert M.: PS: AKTUELL: GESPRÄCHSFORUM der QGR-Gruppe am 08.06.01, 19.30, Aids-Hilfe, Meinekestr.12 BERLIN: "Guten Morgen Faschismus" Ich sag nur, hingehen und selber ein Bild machen statt hier drauf rumhacken, wovon dann doch keiner Ahnung hat. Die Internetadresse:  http://groups.yahoo.com/group/qgr
Katja: Bin von "Queer gegen rechts" und freue mich auf die Veranstaltung. Möchte mich gerne mit allen fetzen, die einen Antifa- bzw.linken Alleinvertretungsanspruch haben. Ich weiß auch das nicht alle auf dem CSD Revolutionäre sind. Wir sind wohl ganz schön heterogen.  
Gigi: Tssss, was Bella da so ablässt, das hört sich ja verdammt nach dem Fortschrittsdenken des Marxismus-Leninismus (ML) an. Der brachte es ja auch zu allerlei volkstümlichen Phrasen wie "Deutschland dem deutschen Volke", weil er nicht wahr haben wollte, dass dieses Volk den Nationalsozialismus herbeisehnte und nicht erst von üblen Politikern dazu manipuliert werden musste. Die Rekonstruktion eines "guten", "linken" Nationalismus durch den ML führte konsequent in die Denunziation von "langhaarigen Faulenzern" und Schwulen. Das ist jetzt auch vorschlaghammermäßig, aber ich habe keine Lust mehr, mich mit Massenfetischismus noch ernsthaft auseinander zu setzen.  
Gigi: Mein Lieblingsartikel zum Thema  "Aufstand der Anständigen".
Gigi: Achja, Bella, jetzt fällt's mir ein, woher ich den Jargon kenne. Linksruck? Naja, der Trotzkismus geht ja noch. Ist immerhin die fortschrittlichste Lesart des ML.  
didistullepradameinhof: subversion durch affirmation. falls ihr ab und zu mal sex habt: fragt euren liebhaber ob er mit dieser seite irgendetwas anfangen kann.  
FT: hey didistullepradameinhof, durchaus kann man Sex haben, auch guten, auch mit dem eígenen Liebhaber und trotzdem sich über politik unterhalten/streiten/nachdenken, ehrlich. und frau auch! (ich schrieb ohne die Is!)  
Sascha B.: Ja, mit Politik, FT, aber didistullepradameinhof meinte auch nicht Politik, sondern esoterisches, klandestines Hirngewichse, da bin ich mir ziemlich sicher.  
nancy: bella, du gibst die diskussion ziemlich verdreht wieder. das passt mir nicht. vom kapitalismus war hier bisher nicht allzuviel die rede, sondern es ging um rassismus. hier werden also nicht alle widersprüche der welt auf einmal verhandelt (auch wenn sie zusammenhängen). niemand will sich hier vor allem als superkorrekt darstellen, sondern es ging um eine sehr konkrete kritik: der offizielle csd schmückt sich mit einem etikett und mogelt sich gleichzeitig an einer auseinandersetzung vorbei. wer politik gegen rassismus machen will, darf einfach nicht so tun als müssten wir nur gegen ein paar irregeleitete jugendliche mit bomberjacken zusammenhalten.  
nancy: und indem man zu einem "aufstand" der anständigen geht verändert man genau so viel, wie man ändert, wenn man zum csd geht: nichts. beim "aufstand" kann man sich persönlich anständig fühlen und beim csd kann man sekt trinken und jemanden abschleppen. das ist okay, aber das ist auch alles. -- was du, bella, über den kampf gegen nazis sagst, ist zu einfach. natürlich ist der wichtig, aber wenn er nicht zugleich auch gegen den rassismus der mitte geführt wird, der sich unter anderem im staatlichen rassismus äußert, dann legitimiert er diesen mit.  
Gigi: diese intellektuellenfeindlichkeit ist für mich nicht nachvollziehbar. mag sein, dass einige sich unverständlich ausdrücken (will mich da nicht ausnehmen, schliesslich hab ich keine lust, stundenlang zu überlegen, was ich schreibe). aber deswegen braucht man ja wohl nicht permanent schaum vor dem mund zu haben. ich kann auch gut damit leben, dass ich z.b. leute wie jacques derrida nicht verstehe. ich leg ihn dann eben einfach weg und belass es dabei! bisschen toleranz kann man hier doch wohl erwarten, zumal die feinschaft gegen intellektuelle nicht in einer besonders progressiven tradition steht und oft ein vorwand fürs denkverbot darstellt.  
Gigi: ansonsten möchte ich mal vorschlagen über sinn und unsinn eines schwulen überfalltelefons nachzudenken. für opferbetreuung sind wohl stellen wie die schwulenberatung wesentlich geeigneter, weil dort ausgebildete psychologen arbeiten. für die verfolgung der täter zeigt sich die polizei wesentlich geeigneter. da scheint mir das überfalltelefon noch am ehesten den zweck einer denunziationsstelle für rassisten zu erfüllen. ich vermute, dass dort vor allem auch leute hinrennen, die schon immer was gegen ausländer hatten und jetzt das auch anhand eines persönlich erlebten ereignisses zu protokoll geben wollen.  
Gigi: das ist ja alles nicht repräsentativ. vielleicht einmal gegründet, um homophobe gewalt sichtbar zu machen, ist wohl allein die funktion übrig geblieben, jedes jahr in der taz den hohen anteil von "nicht-deutschen" zu vermelden. interessanterweise ist nach der staatsantifaschistischen kampagne die zahl der gemeldeten angeblich nicht-deutschen täter erheblich gesunken. meines erachtens ist dafür eine veränderte anzeigebereitschaft verantwortlich. ausländer werden nämlich einfach häufiger angezeigt, obwohl die vorwürfe sich seltener bewahrheiten als bei deutschen. wenn dann eine staatliche kampagne ein neues feindbild setzt, ändert sich auch das anzeigeverhalten.  
Gigi: übrigens sagte mir ein ehemaliger mitarbeiter des überfalltelefons, die linke hab dieses themenfeld nicht nur deshalb verlassen, weil bastian finke die krasse macht- und stellenpolitik fuhr, sondern auch weil die fallzahlen nicht so hoch waren, wie man erwartet hatte. noch heute ruft das überfalltelefon dazu auf, sogar simple beschimpfung zu melden - natürlich vor allem dann, wenn sie von "ausländerInnen" geschehen.  
Gigi: der letzte teilsatz war jetzt eine polemik, um einwänden zuvor zu kommen ;-)  
Ist schon spät: Hey Gigi. Toll was du so alles weißt. Bloß dummerweise antwortet Dir jetzt keiner mehr. Fragen über Fragen. Hallo Gigi nochmals! Der CSD ist am 23.6. Das Stadtfest am 15.-16.-17-6. Am 16.6. spielt Westbam im Casino, Mühlenstraße ach was weiß ich. Finde dort Antworten. Nirgends woanders sonst. Ehrlich. Frag Sascha.  
Fragende: Ihr habt solche destruktiven und gehässigen sozialen Umgangsformen, dass man sich ernstlich fragt: Ist das postautonome Leben wirklich so furchtbar?  
Brenda: Ein derartig differenziertes "Ihr" hilft hier wieder einmal unglaublich weiter...  
Robert M.: Speziell mir ging es nicht um die "Anpisse" oder eine moralinsaure Darstellung des CSDs. Nein, ich habe gerne Spaß, nichts desto trotz überlege ich mir doch, was ich da feiere, wen ich ehre ... . Und eine gewisse kritische Reflexion schadet dem CSD nicht. Da der "progressive Teil" des CSDs von Queer gegen rechts "hineingetragen" worden ist, zeigt es doch einmal mehr, dass selbstkritische Aspekte vom CSD-Organisationskomando wenig zu erwarten sind, content kommt dort wohl dann immer von außen. Und ich redete eben ungefragt, werde ich auch weiter so machen.  
stjopa: Kann es sein, dass die Megaparty auch deshalb kein Spass mehr macht, weil nicht ganz so stromlinienförmiger Schwuli da einfach keinen Spass mehr hat. Mir ist schon allein deswegen der "content" ziemlich scheissegal.  
BR alpha: Woran hat denn der nicht ganz so stromlinienförmiger Schwuli Spoaß?  
Fragende: Little misunderstanding: Ich meinte eher die Kommentare untereinander, als über den CSD.