Elterngeld: Liebe Eltern, Ihr Kind ist nicht ‚weiß’ genug
von Autorin: Heinzi

« (es) ergibt sich eine Bevölkerungspolitik der Bundesrepublik Deutschland, die sich noch immer an ‚Blutsverwandtschaft’ und Aussehen als zentralen Merkmalen orientiert »







Die konservative Regierung der Bundesrepublik Deutschland beginnt von Schweden zu lernen. So weit, so gut erst einmal. Eltern sollen zwölf Monate lang ein Elterngeld erhalten, dass 67 % des letzten Netto-Einkommens entspricht. Wenn beide Elternteile die Kinderbetreuung übernehmen, kommen weitere zwei Monate Elterngeld hinzu. Damit haben CDU/CSU und SPD die Tür zu einer stärkeren Verantwortung beider Elternteile für die Babybetreuung einen Spalt weit aufgestoßen. Bei der z. T. sehr konservativen Klientel, die auch im 21. Jahrhundert noch das Prinzip ‚der Mann geht arbeiten, die Ehefrau ist seine unentgeltliche Haushälterin’ vertritt (analog gilt das auch für zahlreiche Lesben- und Schwulenpaare), ist das durchaus eine bemerkenswerte Leistung. Elterngeld sollen nach dem vorgestellten Kompromiss auch EmpfängerInnen von Arbeitslosengeld II in einer nicht auf das ALG II angerechneten monatlichen Höhe von 300 Euro erhalten. Noch eine Kröte für die erzkonservative Klientel: Auch allein Erziehende sollen das Elterngeld über einen Zeitraum von vierzehn Monaten erhalten.*


Im gleichen Atemzug hat Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen ein ‚Bündnis für Erziehung’ ins Leben gerufen, zu dem sie neben sich selbst nur die katholisch- und evangelisch-christlichen Kirchen eingeladen hat. In diesem Bündnis sollen Möglichkeiten vorschulischer Erziehung und die Vermittlung christlicher Werte diskutiert werden. Nach den Worten von Frau von der Leyen hätten gerade die christlichen Kirchen aus ihrer Erfahrung heraus etwas zur moralischen Erziehung der Kinder beizutragen. Sie stellten 72 Prozent der von freien Trägern unterhaltenen Kindertagesstätten. Andere Kirchen und andere freie Träger waren dagegen nicht geladen.

Trennung von Kirche und Staat liegt nicht im Interesse des Staates und der Gesellschaft – und das hat Methode: So wird nach wie vor die Kirchensteuer nur für die evangelisch- bzw. katholisch-christliche Kirche vom Staat eingetrieben, wird christlicher Religionsunterricht an Schulen und nicht in Kirchen oder Gemeindehäusern gegeben, wie es bei anderen Religionsgemeinschaften der Fall ist… Bereits seit Jahren wird auf die Intoleranz so genannter ‚islamischer Fundamentalisten’ hingewiesen und darauf basierend unverblümt Hetze gegen Musliminnen und Muslime betrieben. Der 11. September 2001 hat für die Ausgrenzung von Musliminnen und Muslimen einen willkommenen Anlass geboten und wurde genutzt, um die innere Sicherheit zu verschärfen, Menschen kein Asyl und keinen Aufenthalt zu gewähren und selbst bereits seit Jahren in der Bundesrepublik Deutschland lebenden oder dort geborenen Menschen das Aufenthaltsrecht zu entziehen. Im Jahr 2005 haben in der Bundesrepublik Deutschland so wenige Menschen wie seit 1983 nicht mehr Asyl beantragt, und nur weniger als einem Prozent von ihnen wurde der Asylstatus gewährt.

Warum Zuwanderungsbeschränkung?

Aber warum diese restriktive Beschränkung der Zuwanderung, wenn sich andererseits die Bundesrepublik Deutschland über zu wenige Kinder beschwert? Es geht gar nicht um Menschen, die arbeiten können, oder Kinder, die gut erzogen auf Spielplätzen spielen und das Herz der Eltern und der übrigen vorbei Kommenden erfreuen können. Nein, es geht um weiße, christliche Kinder, insbesondere von Akademikerinnen und berufstätigen Frauen, weil diese derzeit ‚zu wenige’ kriegen. Es geht um Kinder, die Vorstellungen entsprechen, die insbesondere Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts geformt wurden. Es geht um Kinder, die - wenn schon nicht ‚rassisch rein’ (wir erinnern uns an die unsägliche Rassenlehre zu Beginn des 20. Jahrhunderts und im Nationalsozialismus) -, dann doch zumindest christlich erzogen sein sollten und sich als Deutsche zu fühlen haben.

So gesehen ergibt alles einen Sinn: Nachdem in Potsdam ein Deutscher dunkler Hautfarbe - er hat immerhin die sonst oft verwehrte deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, insofern kein Grund, in Presse und Fernsehen auf Begriffe wie ‚Deutsch-Äthiopier’ oder ‚Deutschafrikaner’ zurückzugreifen - von Rechtsextremen fast tot geschlagen wurde, hatte Bundesinnenminister Schäuble nichts Besseres zu tun, als darauf zu verweisen, dass auch ‚blonde, blauäugige Menschen Opfer von Gewalttaten’ würden. Hinzu genommen eine restriktive Zuwanderungspolitik und eine christliche reproduktive Familienpolitik, ergibt sich eine Bevölkerungspolitik der Bundesrepublik Deutschland, die sich noch immer an ‚Blutsverwandtschaft’ und Aussehen als zentralen Merkmalen orientiert. Dies gilt es zu überwinden. Warum besteht so große Angst vor einer breiten pluralistischen und vielgestaltigen Gesellschaft, in der auch Menschen anderer Herkünfte, Hautfarben und Glaubensrichtungen gleichberechtigt teilhaben? Warum werden nationale Elemente wieder heraus gekramt und verstärkt eingesetzt? Warum nehmen daran auch Lesben und Schwule in gewissem Maße teil (Vgl. ROZ 103, April/Mai 2006) – und jammern lediglich, wenn sie keinen eigenen christlichen Gottesdienst zu ihrem CSD abhalten können?

* Von einer Gleichverteilung der Kinderbetreuung werden wir dennoch weit entfernt bleiben, da sich das durchschnittliche Einkommen von Frauen bei etwa nur 2/3 des durchschnittlichen Männereinkommens bewegt und es sich somit viele heterosexuelle Ehegemeinschaften schlicht nicht leisten können, über einen längeren Zeitraum auf das höhere Einkommen des Mannes zu verzichten. Auch ist zu konstatieren, dass manche Frauen auf Grund unsicherer Erwerbspositionen (ihrer eigenen oder der ihrer männlichen oder weiblichen PartnerInnen) auf Kinder verzichten. Vor dem Hintergrund von zunehmend nur noch befristeten Arbeitsverhältnissen - wenn mensch überhaupt das zweifelhafte Glück hatte, einen Job zu erwischen - ist auch für diejenigen, die Kinder in ihrer Lebensplanung vorgesehen haben, keine Planungssicherheit gegeben.



Hosemann,1860,Public Domain



Eingetragende Lebensgemeinschaft: Echt besorgnisserrend!!! Die Heteros machen sich ja selber fertischhhh!! Heinzi rette sie BITTE!  
Nichtbrüter: Kinderkriegen sollen sich nur noch Reiche und Arbeitsplatzhabende leisten können, Geld gibts nur noch 14 statt 24 Monate, und das ist "so weit, so gut erst einmal" "durchaus eine bemerkenswerte Leistung"? Ihr seid ja lustig.  
heinzi: das ist richtig und ein fatatler fehler beim schreiben des textes. ich sah vor meinem geistigen auge eher den rassismusgedanken im vordergrund. du hast vollkommen recht: alg II empfängerinnen werden durch die verkürzung von 24 auf 14 monate deutlich schlechter gestellt; ebenso zu erwähnen ist, dass kindergeld nach wie vor auf alg II angerechnet wird; es geht eideutig um weißen besserverdienenden nachwuchs.