MC: Ich wollte noch sagen, daß ich den Redebeitrag vor der Synagoge atemberaubend klasse fand. Wäre ich beim Spiegel, ich würde von einem thematischen Minenfeld schwadronieren, das mit einfühlsamer Eleganz gemeistert wurde. Statt desssen muss ich Abbitte leisten. Weil mir kurz zuvor beim Anblick der Lautibesatzung das dumme Wort vom Wichtigtuer durch den getrübten Kopf schoss. Ich bereue es! Als meine Mutter mich am Telefon fragte, ob wir das angezettelt hätten, was sie da im Fernsehn gesehen habe, hab ich nämlich auch ja gesagt. Und meine Mitbewohnerin hat alle Zeitungen mit den Lobeshymnen gekauft: besorgte Bürger retten Berlin! |
MC: Ahöm. Also, den Beitrag hier oben meinte ich definitiv nicht! Ich meinte den, den der Mann mit der schwarzen Schirmmütze 50 Meter vor der Synagoge gehalten hat. Den Phrasenfreien. Finde ich auch nicht so toll, Kommentare von Lesern zwischen Artikeln hin und her zu kopieren. Was soll das? |
brenda@MC: das war ich. asche über mein haupt. grund war, dass du wirklich eine minute, bevor ich die alte diskussion offline stellen wollte, quasi während ich gerade die eingabemaske entfernt habe, deinen beitrag gepostet hast. und damit dein beitrag nicht nach wenigen sekunden online bereits im archiv verschwindet, habe ich ihn hierhin gesetzt, da ich dachte, hier is sowieso der raum für eine art nachbereitung des ganzen. |
brenda: der redebeitrag von dem mann mit der schirmmütze vor der synagoge fand ich auch großartig. |
Der Mann mit der Schirmmütze: hat den Redebeitrag garnicht selber geschrieben (der kam von den Demoanmeldern mit der Bitte, ihn zu verlesen) und hat ihn nach kurzer Prüfung für gut befunden - sah man mal von den in jedem Satz vorkommenden Wort "Faschismus" ab, das einem echt zur Qual beim Reden wird. Einen Absatz hätte ich allerdings am liebsten weggelassen. Da gings um die Alibifunktion des Themas Holocaust in Talkshows. |
...: Das sehe ich nicht so. Zufällig habe ich am Abend des 8. Mai mal nicht bei Sabine Christiansen wegezappt, sondern habe mir den Streit zwischen dem Herrenreitergutmenschen Weizäcker und dem Ghettoüberlebenden Reich-Ranicki angehört. Das war soetwas von entlarvend über die Zustände hierzulande 60 Jahre nach der Befreiung. Besser als sämtliche Demoreden es jemals könnten. |
...: Und noch was. Ich finde im großen Demotransparent-Contest gehen douze points an Gloria Viagras "Nationalstolz - gibt's da was von rationpharm?" |
brenda: ach - das war von gloria? |
Deniz: Dass die Nazis am 8. Mai verloren haben, ist nichts Neues. Die Frage ist nur: Wer hat diesmal gewonnen? War die Verhinderung des Aufmarschs tatsächlich ein Erfolg der radikalen Linken? Oder ist der Tagessieger nicht die deutsche Zivilgesellschaft, die Berliner Republik, kurz: Deutschland, das sein nationales Symbol zu schützen vermochte? Die radikale Linke hat ausgerechnet an diesem Tag zu einem deutschen Sieg beigetragen, und zwar unabhängig davon, was die Leute dabei gedacht oder in ihre Aufrufe geschrieben haben. |
tja: das nennt man wohl dialektik... ich glaube nicht, dass man sich deshalb große sorgen machen muss. |
michael hellmann: @deniz: der imperialistische Staat heftet sich zwar den Erfolg der Demo an seine Fahnen, doch wir müssen ja nicht jede Lüge glauben. Dem Vernehmen nach hat die Polizei 58 AntifaschistInnen am 8. Mai verhaftet(indymedia, JW). Während AntifaschistInnen die Demo weitmöglich blockierten, feierten die verschiedenen politischen Abteilungen des deutschen Imperialismus ihren Tag der Demokratie am Brabu Tor, um laut Thierse zu zeigen, wer in diesem Land das Sagen hat. Die AntifaschistInnen müssen den taktischen Erfolg des 8. Mai verteidigen, und gleichzeitig die strategische Komplizenschaft von Nazis und Staat bekannter machen, um so die staatliche Heuchelei zu aufzudecken. |
Hahn und Henne: "heftet sich zwar den Erfolg der Demo an seine Fahnen" Herr Hellmann es gab am 8.Mai noch mehr als "Ihre" Demo, leider Sie an Hybris? |
michael hellmann: Lieber Herr Hahn, liebe Frau Henne: Ich habe etwas salopp die Gesamtheit der AntifaschistInnen, welche die Nazis am 8. Mai für Stunden umzingelte, als die Demo bezeichnet. Es war eine Aktionseinheit der Tat verschiedenster antifaschistischer Kräfte, die wesentlich durch die Spasibo-Aktionseinheit mobilisiert worden waren. Die verschiedenen politischen Abteilungen des deutschen Imperialismus (CDU,SPD, etc.) haben zu dieser Mobilisierung nichts beigetragen. Thierse hat ausdrücklich erklärt, daß der Tag der Demokratie nicht dazu diene, die NPD aufzuhalten. So ist's und so bleibt's. P.S.: Wo, bitte, habe ich von "meiner" Demo geschrieben? Ich kenne da einen guten Augenarzt... |
Korrekteuse: Die Verhinderung der Nazidemo war ein "Erfolg", der von oben gewollt war. Wowereit hat ausdrücklich die Gegendemo begrüsst, und Frau Künast hat vom Brandenburger Tor aus zu einem Spaziergang Unter den Linden aufgerufen. Die Bullerei hat die Faschos taktisch aufgehalten und sich bei AntifaschistInnen für den friedlichen Protest bedankt. Derlei taugt natürlich nicht zur linkssektiererischen Mythenbildung à la Hellmann. |
Peter: Hellmänner und -frauen dürfen sich ihre Orden ‚Nur wir waren toll’ an die Brust heften. Ich als Demoteilnehmer betrachte mich als Teil eines "sehr" großen Ganzen, bei dem mir ehrlich sogar sehr lieb ist, wenn ein Herr Wowereit und ein eine Frau Künast auch ihren Beitrag geleistet haben. Und an Herrn Hellmann! Ja, die politischen Abteilungen, um in Ihrem Jagon zu bleiben, des deutschen Imperialismus (CDU,SPD,Grüne,PDS) haben zu dieser Mobilisierung nicht beigetragen, sie aber sie dennoch gutgeheißen - auch wenn Sie das nicht hören wollen. Berlin ist nicht Leipzig! |
michael hellmann: @korrekteuse: Ich gebe Dir insofern Recht, daß dieses Mal es nicht im staatlichen Interesse lag, den Nazis den Weg freizuknüppeln, weil am 60. Jahrestages des Sieges über den deutschen Faschismus das internationale Interesse sehr groß war. Trotzdem halte ich die Spasibo-Mobilisierung für einen Erfolg (siehe oben). @Peter: und die Verhaftungen? und Thierses klare Ansagen? @ Peter 2: willst Du im Kampf gegen die Nazis Dich strategisch auf den deutschen Staat schützen, oder geht es Dir hier nur um die taktische Einschätzung dieser einen Demo? |
mh: mh@Peter: statt schützen lies: stützen. |
MC: Wie verhätschelt, wie gepudert, wie grundversorgt und rundum abgesichert muss man eigentlich sein, um in Wolfgang Thierse eine grössere Gefahr zu sehen als in Martin Wiese? | |