HOMOLAND: Ein Versuch

Baella: Vor einiger Zeit erreichte etuxx ein Brief, über dessen Inhalt die Redaktion nicht wenig erstaunt war. Ein Bericht und zwei Bilder aus Homoland. Datiert auf den Herbst des Jahres 2004. Homoland. Da war doch was? Kannten nicht einige von uns noch Homoland aus dem letzten Jahrtausend? Waren wir nicht selbst regelmäßig dorthin gereist? Und hatte es nicht auch diese Homoland-Zeitung namens "Tuntentinte" gegeben, aus der zuletzt etuxx selbst geboren worden war? Sollte es Homoland also tatsächlich noch geben? Oder war es ein ganz anderes Homoland? Am Ende sogar ein Trugbild, eine Fälschung?

Sogleich bat ich Monsieur Guillaume Le Trouve-Dusson um eine Expertise, die den Bericht auf seine Echtheit überprüfen sollte. Le Trouve-Dusson selbst ist Homoland-Forscher und hatte in dieser Funktion vor Urzeiten dem Phänomen als solchen einen Namen gegeben. Nur er allein konnte eine verlässliche Aussage darüber machen, ob der Bericht echt und also ein eindeutiger Beweis für die Existenz von Homoland ist.

Nun, das Ergebnis war ebenso erstaunlich wie weitreichend: Autor und Bezugspunkt sind echt (was nicht zuletzt auch die auf dem Bild sichtbare Tuntentinte beweist), Homoland gibt es tatsächlich noch. Was also lag näher, als rechtzeitig zum vierjährigen Bestehen von etuxx den Versuch zu starten, das Phänomen einer neuerlichen Untersuchung zu unterziehen und so das Wagnis einzugehen, Homoland wieder ins Gespräch zu bringen. Natürlich sind wir dabei auf Zeitzeugen angewiesen. Homoland-Reisende, ehemalige BewohnerInnen, Abtrünnige und Aufständische. Jede und jeder soll, muss hier zu Wort kommen.

Ich lade Sie ein, an diesem Experiment teilzunehmen. Und verlasse mich dabei ganz auf Ihr Können, Ihr Wissen und vor allem auf Ihre Intuition. Aber lesen Sie doch zunächst selbst:



von tompurpur

ich hänge, die arme an ketten nach oben gezogen, im duschraum. die anderen überlegen, was sie mit mir machen sollen. der ton ist freundschaftlich, aber mir gegenüber dominant. das macht mich an. ich werde nass gespritzt. während einer meinen kopf fest fixiert spritzt ein anderer wasser in meinen mund und ich muss schlucken. später kommt die peitsche. klammern ziehen meine brustwarzen zum schwanz. es erregt mich dominiert zu werden. es entstehen viele fotos. beim abschlußplenum kritisiert eine, dass der workshop 'sm inszenierung' zuviel raum eingenommen habe. vielleicht stimmt das. mehrere fototermine und treffen zum ansehen und auswählen haben viel raum genommen und sm ist ja nicht der kern der homoländischen idee sondern ein teil ihrer vielfalt.

und das auf einer homolandwoche, auf der es soviele ag's gab wie selten. politisch/theoretische wie kreative. themen wie „antisemitismus & homosexualität“, „ethnizität (race), klasse, geschlecht, sexuelle orientierung und politische praxis“, „weiss-sein und sexuelle orientierung“ oder die kritische auseinandersetzung mit dem begriff queer. aber eben auch t-shirts drucken, super 8 filmen oder eben sm inszenierung.

vielleicht hat sich die homolandwoche in dieser hinsicht verändert und gibt der hedonistischen selbstinszenierung mehr raum, auch in den arbeitsgruppen. im grunde gab es immer einen hedonistischen kern der homolandwoche, vermute ich. die zelebrierung vegetarisch/veganer vier gänge menüs an den abenden, der kult des croquet, die verbale selbstinszenierung im raucherInnenzimmer und ähnliches waren für viele in den letzten jahren sicher wichtige homoländische wellness-elemente. und vorher waren es vielleicht andere.



aber so, wie die inszenierung der tunte an sich von der verbindung der lust zur selbstdarstellung mit einer gender-kritischen irritation lebt, so lebt für mich auch die homolandwoche von der verbindung eines lustbetonten persönlichem alltags und politischer auseinandersetzung. kreative workshops sind da ein wichtiger teil, aber sie brauchen auch viel zeit. und auch wenn neun tage im vergleich mit anderen überregionalen treffen als recht lange zeit erscheint, so erwies sie sich in dieser woche doch für viele prozesse als zu kurz.

die verschiedenheit der interessen, vorbereitete und spontane politische diskussionen zu führen, tropfsteinhöhlen zu besichtigen, freundschaften zu pflegen, die natur zu genießen, partys zu feiern, filme zu sehen, kulinarische genüsse zuzubereiten und zu sich zu nehmen, für foto und film zu inszenieren, zu spielen, t-shirts zu drucken und mehr führte dazu, dass nicht alles geplante stattfand. trotzdem gab es einen mix, in dem für mich nicht das eine das andere dominierte sondern vieles nebeneinander raum hatte, wenn auch nicht immer genug. aber homoland wird es weiter geben. infos auf www.homoland.net.

und all das sind natürlich nur meine erinnerungen. andere homoländerInnen haben sicher andere, vieleicht melden sie sich ja auch noch hier.


Mehr als ein Gerücht: Es soll ja demnächst wieder eine Tuntentinte geben. Die Redaktion tagte in Berlin.  
Das Gerücht hat sich bestätigt: Aber wo Tuntentinte drauf steht, ist keine Tuntentinte mehr drin. Entsetzlich. Jede Schülerzeitung aus den Siebzigern ist ein Hochglanzmagazin dagegen. Leider wurde nicht rechtzeitig die Notbremse gezogen. Besser nichts als sowas...  
beate bronski: Drauf steht ja nicht *tuntentinte* sondern *tuntentinte extrakt* um die Redaktionskrise zu kennzeichnen. Mit Extrakt sind die wichtigsten homoländischen Informationen gemeint, vor allem die Einladung zur nächsten Homolandwoche. Für jedes Extrakt gibt es ein temporäres Redaktionsbündnis. Beschlossen wurde das beim homoländischen Abschlussplenum. Und ich finde das Punklayout der aktuellen Ausgabe durchaus gelungen. Dank an die RedakteurInnen.  
Luise von Lutter zu Karze und Groningen: Ach das ist ein "Punklayout"? Na dann. Ein Extrakt, meine liebe Frau Bronski kennzeichnet nicht per se ein Krise, sondern verspricht im Gegenteil mehr, das es aber offenbar nicht zu geben scheint. Ich weiß nun nicht, welcher Generation Sie angehören, aber für meinen Geschmack ist diese Ansammlung hektografierter Blätter weder punk noch einladend. Darüberhinaus stellt sich für den potentiellen Homoland-Besucher doch die Frage, ob diese Landwoche (in erster Linie) eine sadomasochistische Veranstaltung ist. Nichts gegen SM, gegen Etiketten-Schwindel dann aber schon. Bitte betrachten Sie meine Kritik als wohlwollend.  
Beate Bronski zitiert das Vorwort: "Mit den sonst üblichen Layout-Gewohnheiten wurde, wie sie unschwer erkennen können, radikal gebrochen. Für diese Ausgabe gilt: Punx not dead." Das schreiben die RedakteurInnen, der Begriff "Punklayout" fasst das gestalterische Konzept also vorzüglich zusammen.  
Brenda von Strick am Barren: wäre es möglich, der etuxx-Redaktion ein Exemplar zur Verfügung zu stellen? Das wäre phantastisch. Gerne auch als pdf-Dokument.  
beate bronski@brenda (2.Zitat): "Bestellungen, Adressänderungen und Artikel, Kritiken, Kochrezepte, Modetips aller Art gehen weiterhin an: tuntentinte@gmx.net"  
mimmi schrillmann: warum versteckt das etuxx dieses Diskussion in den Tiefen?  
van baden-babelsberg: danke frau bronski, das kulturhaus hat immer noch beste verbindungen zu homoland und ist bereits im besitz des "extraktes". wir haben ihn soeben weitergereicht. +++ nun, frau schrillmann, was verstehen Sie unter "tiefen"? Sie befinden sich im kulturhaus. wir planen allerdings einen umbau des erdgeschosses. Sie werden dann nicht mehr in die "tiefen" steigen müssen.  
Firefly: die neue tuntentinte ist die ehrlichste aller zeiten: zuerst lecker essen, und dann ein gepflegter sm. sonst nichts. Biolek kommt sicher gern zur nächsten Homolandwoche.  
kraischkowka: Immer langsam mit die jungen Pferde... Die Tuntentinte ist auch diesmal der Ausdruck des (nicht-)Engagements, welches die Homolandteilnehmenden da reinstecken, so schön, so schrecklich nicht mehr nicht weniger. Das war auch allen Beteiligten ziemlich klar, dass es in die Richtung geht, nachdem sich die alte Redaktion mit etuxx ein neues Projekt geschaffen hatte. Ob das jetzt eine Krise ist, oder nicht, dass sei dahingestellt...  
Kraischkowka: Um Missverständnissen vorzubeugen: auch ich habe natürlich (immer noch) genug Fantasie mir eine gaaanz andere Tuntentinte vorzustellen, bin mit dem gegenwärtigen Produkt sicher nicht zufrieden, aber das Problem ist halt, dass diesmal (und nicht nur diesmal) eben sauwenig Leute berteit waren Zeit, Ideen und Energie in die Ausgabe zu stecken. Ich bin mir sicher dass es darüber auf der nächsten Landwoche auch wieder Diskussionen geben wird.  
Expertenanfrage: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen "Homolandteilnehmenden" und "Homoländern"? Oder kann ich das in künftigen Gesprächen synonym benutzen?  
Kraischkowka: ja, kannst du.  
Expertenanfrage: Schade. Ich dachte, es gäbe so etwas wie eine besondere homoländische Identität. Das hätte mich dann doch interessiert.  
kraischkowka: Homoländische Identitität?? Was zum Sittich soll das denn sein??? Es gibt auf der Landwoche sicher sowas wie liebgewordene Gewohnheiten und gute wie schlechte Eingefahrenheiten, gerade bei Leuten, die sich da lange dran beteiligen, aber IDENTITÄT?? nö, dem würde ich wiedersprechen, dazu sind die Teilnehmenden dann doch viieel zu verschieden.  
kraischkowka: Es sei denn, die Tatsache, dass sich die Teilnehmenden -grob verortet- aus dem linken Spektrum zusammensetzen, stellt für dich eine Identitätsbildung dar. Dazu würde ich aber sagen: "die Linke Szene" existiert nicht als homogene identitäre Ansammlung, und speziell auf der Homolandwoche lassen sich diese Unterschiede auch immer wieder recht gut beobachten. (sub)kulturell, wie altersmässig, wie auch von den linken "Teilszenen" her sind es dann doch recht unterschiedliche Menschen die da aufeinandertreffen  
kraischkowka: Und das ist gut so (wenn auch nicht immer einfach) Über alles weitere, die Begrenztheit und Stärke eines solchen Treffens liesse sich natürlich noch viel sagen, aber das wäre ein eigener Artikel, und der braucht Zeit...(die mir gerde ein wenig fehlt)  
einmalhomoländer: dem ereigniss homoland sollte mann nicht sonst was beimessen, es ist d.i.y. wellness für die alternative schwuchtel. der begriff alternativ scheint von landwoche zu landwoche neu gemixt zu sein, es liegt alles an den teilnehmern ... . insgesamt eine feine sache für die, die etwas hineinzutragen haben, für andere ein familientreffen. ich war einmal da und fand alles mehr als nett  
Pølser: Homoländerinnen: http://www.ramaguirecoverart.com/gallery_covers/Nude_Croquet.html Warum gibts hier keine Linkbox?  
van Baden-Babelsberg: ich danke der danske teilnehmerin für diese wunderbare illustration des homoländischen croquet. sie könnte der anlass für einen artikel über das homoländische sport- und wellness-programm sein. ihre anfrage bezüglich der linkbox habe ich an die tvd weitergeleitet. von einmalhomoländer würde ich dann doch gerne wissen, wie ich das "mehr als nett" verstehen soll. wenn es denn mehr als nett war, warum dann nur einmal?  
Expertenanfrage@kraischkowa: vielleicht ist dieses "homoland" ja die allerletzte bastion für schwuchtelige und sich links verortende männer, die in einem festgesetzten rahmen alten identitäten nachhängen. abgesehen vom spassfaktor, den das ganze sicher hat, scheint mir die veranstaltung konzeptionell doch etwas veraltet.  
Laie@Expertenanfrage: Deconstruct heterosexuality first!  
van Baden-Babelsberg: Wenn das mal nicht das letzte Wort war! Nun warten wir auf eine Einschätzung zu Homoland in Dänemark.  
Homolulu Reloaded: "Mein ständiger Flirt mit allen Kindern nahm bald erotische Züge an. Ich konnte richtig fühlen, wie die kleinen Mädchen von fünf Jahren schon gelernt hatten, mich anzumachen. Es ist kaum zu glauben. Meist war ich ziemlich entwaffnet. (...) Es ist mir mehrmals passiert, dass einige Kinder meinen Hosenlatz geöffnet und angefangen haben, mich zu streicheln. Ich habe je nach den Umständen unterschiedlich reagiert, aber ihr Wunsch stellte mich vor Probleme. Ich habe sie gefragt: 'Warum spielt ihr nicht untereinander, warum habt ihr mich ausgewählt und nicht andere Kinder?' Aber wenn sie darauf bestanden, habe ich sie dennoch gestreichelt." (Daniel Cohn-Bendit 1975)  
van Baden-Babelsberg: Soweit mir bekannt hat es derartige Vorkommnisse auf Homoland nie gegeben. Auch ist mir auf meinen zahlreichen Reisen nach Homoland niemals Cohn-Bendit begegnet (der Göttin sein Dank!). Ich verstehe also nicht, in welchem Zusammenhang dieser Beitrag hier steht. Homoland ist auch nicht Mitglied in der Europäischen Union, oder sollte ich da was verpasst haben?  
der verlorene Hoeneßbruder: da steht auch homolulu. das war was anderes als homoland (eine schwule Geschichtsseite, herr michelsen aus Hamburg, das wäre im bildungsauftrag). aber warum das nun hier steht... keine ahnung....  
ankündigung: wahrscheinlich weil "homoland" an-, auf- und erregend ist. mehr dazu demnächst hier im kulturhaus.