osé, Ecuador
von ONDA einem Nachrichtenpool Lateinamerikas (www.mpla.de) Es ist in schon in verschiedenen Freien Radios in Deutschland gesendet worden.

Der schwule Migrant José (22), der heute in Spanien lebt, erzählt über die schwule Lebenswelt in Ecuador. Nach dem Ende seiner letzten Beziehung hat es sich ein Ticket nach Madrid gekauft, um – so sagt er – auf andere Gedanken zu kommen und um der Enge seiner Heimatstadt zu entfliehen. José hat Bekannte in Madrid. Ebenfalls Ecuadorianer. Ebenfalls Schwule. Aber Madrid gefällt ihm nicht. Zu groß, zu teuer, zu promisk. Nach zwei Monaten kaufte er sich ein Busticket nach Granada und hat dort inzwischen Arbeit in einem Restaurant gefunden. Granada ist für ihn ruhig und überschaubar, und trotzdem ist ein schwules Leben hier möglich. Nach Ecuador möchte er sobald nicht mehr zurück.

[José - doble vida]
Du musst immer ein Doppelleben führen. Du gehst nach Hause und bist bei deiner Familie. Oder du bist auf der Arbeit. Dann bist du eine Person. Dann machst du was mit deinem Freund zusammen. Gehst am Wochenende aus und feierst. Dann bist du eine völlig andere Person. Dann bist du der, der du wirklich sein möchtest.

Cuenca, die spanisch-koloniale Stadt, aus der José kommt gilt als sehr konservativ, aber ist natürlich immer noch liberaler als die kleinen Städtchen und Dörfer Ecuadors. Wie lebt es sich schwul in Cuenca?

[José - discriminacion]
Du kannst mit deinem Freund nicht Hand in Hand durch die Straßen gehen. Wenn du abends ausgehst in einem schwulen Club, dann pöbeln sie Dich beim Verlassen des Ladens an. Wenn man weiß, dass du schwul bist, kannst du keine Freunde haben. Wenn du über die Straße gehst oder in eine Disko und die Leute wissen, dass du schwul bist, dann wird dich niemand akzeptieren. Jeder wird dich schlecht behandeln, wie einen seltsamen Vogel, wie einen Ausgestoßenen, als wenn du ein Außerirdischer wärst. Die Diskriminierung ist erdrückend.

Schwule gelten in weiten Teilen der Ecuadorianischen Gesellschaft immer noch als pervers, schmutzig und gefährlich. Man wirft ihnen haltlose Promiskuität vor was, laut José auch nicht ganz von der Hand zu weisen ist [und das ist auch gut so; die Tipse]. Auf der anderen Seite, wie sollen in einem ablehnenden Klima dauerhafte schwule Beziehungen funktionieren? Eine bemüht heimliche Szene, die sich nach einer Woche des Versteckspiels am Wochenende ausleben will, ist ein Nährboden für HIV [Na ja, das alleine ist noch kein Nährboden; die Tipse]. Zumal auch die gesundheitliche Aufklärung das Thema Homosexualität nach Möglichkeit ausspart:

[José - Sida]
Heute gibt es viele Fälle von AIDS unter Schwulen. Aber die Leute mögen es nicht besonders, sich zu schützen. Es gibt immer Kampagnen gegen HIV, aber meistens für die Heteros. Es gibt auch einige Kampagnen für die Schwulen oder die Transvestiten, dass die Kondome beim Sex benutzen sollen, aber eben nur selten. Im Vergleich zu den Heterosexuellen, wo es ständig Fernsehspots und so gibt, ist das sehr wenig.

Aber es ist nicht nur die heterosexuelle Umgebung, durch die Schwule diskriminiert werden. Die schwule Szene selbst ist ein Abbild der ecuadorianischen Gesellschaft, in der sich die Probleme Sexismus und Rassismus wie auch soziale Ausgrenzung nicht nur widerspiegeln, sondern sich zum Teil noch verschärfen:


Über die Realität im benachbarten Brasilien berichtet gerade das September ai-Journal

Für Spanischversteher: www.gayecuador.com

[José - pobre y rico]
Es gibt hier gerade in der schwulen Welt verbreiteten Rassismus. Eine Person, die sehr dunkelhäutig ist, wird als Indio beleidigt, als Cholo, was soviel bedeutet wie ein hässlicher oder gemeiner Indio. Diese Menschen arbeiten auf dem Markt, in Restaurants, in der Küche. Sie werden von Wohlhabenden als minderwertig betrachtet. Sie sind sehr, sehr arm, und sie werden beleidigt als Leute, die nichts können, die nichts wert sind. Niemand hilft ihnen, niemand kümmert sich um sie. Wie Straßenköter! Du denkst, dass die Schwulen einen homogenen, eigenen Teil der Gesellschaft bilden, dass sie sich mehr vereinigen, um ihre gemeinsame Sache voranzutreiben. Aber nein! Sie sind falsch, sie fügen sich gegenseitig Schaden zu. Und wenn ich mir das alles so anschaue, dann sehe ich nicht, dass die Schwulen jemals eine Gemeinschaft bilden werden.

Mestizen grenzen Indígenas aus. Schwule Machos Transvestiten. Überzogene Eintrittspreise in den Clubs sollen ärmere Schwule vor der Tür lassen. Ganz unten im Ansehen, nicht nur aus heterosexueller Sicht, sondern eben auch aus Sicht der meisten Schwulen, stehen die Transvestiten. Wer sich mit Transen abgibt, läuft Gefahr, selbst unten durch zu sein – noch so ein ungeschriebenes Gesetz der Szene.

[JOSÉ - los travestis]
Du kannst niemals Freund eines Transvestiten sein. Niemals! Man geht zum Beispiel in eine Bar oder einen Club. Am Wochenende natürlich, unter der Woche hat ja nichts auf. Hier kennt man Leute und lernt neue kennen, vielleicht nur oberflächlich. Da sind dann auch ein paar Transvestiten, die zum Beispiel im Friseurladen arbeiten, denn die meisten Transvestiten arbeiten als Friseurinnen. Man unterhält sich, trinkt was zusammen, schließt so was wie Freundschaften. Redet über dies und jenes, wie schwer das schwule Leben ist und so weiter. Aber wenn die Leute sich dann auf der Straße sehen, kennt sich niemand. Niemand sagt „Hallo“. Vor lauter Angst, was die anderen Leute wohl sagen und denken könnten.

Abhängigkeitsverhältnisse und die Angst davor, geoutet zu werden, so José, werden oft ausgenutzt. So bringt die zweite, die schwule Identität, oft keine Befreiung mit sich, sondern eine zweite Ebene des Sich-Verstellen-Müssens, der Angst. Deswegen ist José in Europa – und will wie viele sobald nicht zurück.


Heidi: ich bin selber mit einem Latino zusammen und fahre regelmäßig hin; ich wollte anmerken, daß es in Nicaragua und Guatemala noch ärger ist; es gibt im ganzen Land jeweils 1-2 Clubs, sonst nix; das sind absolute Mittel- bis Oberklasse-Läden (wobei die Mittelklsase in Mittelamerika nur 10 % der Bevölkerung umfaßt). Nur von der MIttelklasse wird eine "GAy-Szene" gebraucht, denn die äffen USA-Rollen nach - den "gay"; für alle anderen spielt sich das Leben auf der Straße ab, und da werden natürlich passivos von Hetero-Machos gevögelt, was anderes gibts da gar nicht, das passt in gängige Rollenverhältnisse, und deshalb brauchts auch keine ÖFFENTLICHEN Orte, um Schwulsein auszuleben ....