Lore: Verstehe ich dich recht, Marcie, dass ihr euch vor allem an der autonomen Szene abgearbeitet habt? Gab es auch Auseinandersetzungen mit der schwulen Szene? Habt ihr euch auch an andere linke, aber nicht autonome Gruppen gewendet? Woher kam die starke Fixierung auf die autonme Linke? |
Abarbeiten: Nee. Wir haben uns von der schwulen autonomen Vorgängergeneration distanziert (siehe Teil eins: "... manche waren davon sehr frustriert"). Diese wiederum war auf die Szene rund um Schanze und vorallem Hafen fixiert. Da sprangen ihre bevorzugten Männer rum: junge Hausbesetzer/Antifas. |
Fixieren: Wir waren viel mehr und viel selbstbewusster Teil der "Szene" als noch unsere Vorgänger. Wir hatten nicht mehr das Bedürfnis, ständig unser "kritisch & politisch" sein nachweisen zu müssen. Die Hafenstrasse zum Beispiel ging uns völlig am Arsch vorbei. Und mit dem Tag der Befreiung hatten wir plötzlich eine vollkommen eigene politische Position. |
schwule linke Vor 1992: Genau das haben politische Schwule vorher immer sehr sorgsam vermieden. Sie wollten ja akzeptiert und anerkannt werden von den linken Heteros. Sehr deutlich wird das an der erwähnten "Tunten für die Hafenstrasse" - Demo. Das ist die erste Welle: Schwule solidarisieren sich öffentlich mit der linksradikalen Szene (der sie, daß ist das entscheidende, NICHT als erkennbare gruppe angehören) |
schwule linke nach 1992: wir hatten diese Einstellung nicht mehr. wir trafen uns als lockerer schwuler block inzwischen mehr- oder weniger selbstverständlich auf allen möglichen Demos, auch gern mal im Fummel. Und hatten eben in vielen Dingen auch eigene positionen, die von denen der heterolinken abwichen.Aber das war weder für die noch für uns ein Problem. Es gab nicht die befürchteten Rückschritte bei der Akzeptanz von Schwulen innerhalb der linken Szene - eher im Gegenteil. |
So RICHTIG abgearbeitet: aber wirklich wortwörtlich, haben wir uns an der Schwulenszene! Am Anfang war es einfach hip, gegen die bürgerlichen Schwulen zu sein. Aber wir haben jahrelang unentgeldlich gearbeitet und uns abgemüht, um eine von uns imaginierte "stumpfe schwule Masse" aufzuwecken und einzelne Individuen aus ihr heraus zu lösen. Nur gab es diese Erlöserszene nie. Genausowenig wie unsere Vorgänger jemals einen hübschen Autonomen von der Heterosexualität erlöst haben, haben wir je eine hübsche Schwuchtel von ihrer Kommerzialität bekehrt. |
Und darüber: sind wir zu den seltsamen alten Männern geworden, die wir heimlich schon immer bewundert haben ;-) -- (aber das sollte eigentlich alles in teil 3 stehen) |
Lore: Interessant, interessant, liebe Marcie. VErstehe ich dich aber richtig, dass sich da immer noch eine klare Grenzziehung durchzieht: hetero hier - schwul da? Die Schwulen sind jetzt zwar ein selbstbewusster und selbstverständlicher Teil der linken Szene, aber eben immer noch sehr abgetrennt und auf sich gestellt? Gabs auch Vermischungen und Verwischungen? |
jens: toll. genauso hab ich die baustelle auch erlebt. |
Marcie: Da verstehst du mich richtig, liebe Lore. Heute organisieren sich politisch interessierte Schwule eher mit anderen Schwulen, und reklamieren dann ganz selbstverständlich eigene Positionen in der linken Szene. Die Möglichkeit dazu verdanken sie (bzw. wir) natürlich den Leuten, die sich in den 80ern so ausdrücklich auf die Linke bezogen haben. |
rrrrrrrrriotgrrrrrrrrl: hallo, gibt es denn in der ganzen geschichte nicht eine frau? eine klitzekleine lesbe vielleicht oder aber auch eine polit-autonome hetera? da wird sich seit jahren von der schwulen baustelle gewundert, dass nicht so viele frauen kommen, und ich denke mir seit jahren, könnte auch am namen liegen und dann kommen solche texte und ich fange an zu begreifen, dass das frauen einfach gar nicht präsent sind im denken. herzlichen dank!! |
Die Baustelle und das Patriarchat: Als die schwule Baustelle entstand, war Geschlechtertrennung politisch sehr in Mode! Aus der Frauenbewegung kam die Einsicht, dass in gemischten Gruppen die Männer sich doch wieder auf Kosten der Frauen profilieren. (Gefordert wurden damals z.B. auch getrennte Schulklassen für Mädchen und Jungen!) Wenn, dann machen Frauen deshalb eine eigene Gruppe. Ein Männerzusammenhang, in dem "auch Frauen mitmachen dürfen", galt als ... |
patriarchale Entgleisung ersten Ranges!: Statt dessen sollten Frauen in Frauengruppen ihre Kraft entdecken. Und Männer in Männergruppen ihre Gefühle. -- Heute sind wir alle Queer, und alle ein bißchen schlauer. Nur für die Baustelle kommt der Wandel vielleicht zu spät. Ein über 10 Jahre stabiler Zusammenhang hat eben eine gewachsene Struktur.Und die lässt sich nicht per Beschluss ändern. In dieser Frage ist die Baustelle einfach überholt. |
Und du, rrrrrrrrriotgrrrrrrrrl:: könntest jetzt einfach sagen: die Zeiten der Geschlechtertrennung sind vorbei! Da hast du den Schwachpunkt gefunden, mit dem du den Laden aufmischen kannst. (irgendwie erinnert mich dein beitrag oben an mein erstes flugblatt ... ;-) // marcie |
HH aus provinziellem Blickwinkel: Die oben erwähnte Prozession mit Hannelore zum Hafen passte für mich (vom Stil her?) gar nicht zu den tollen queerrr street days. Ist das ein Ausdruck für den erwähnten Unterschied von Bewegung und Gegenbewegung? Und worin unterscheiden sich Positionen von Baustelle und "queerer Szene" inhaltlich? |
rrrrrriotgrrrrrrrllllllllll: marcie danke, dein erstes flugblatt würde ich gerne mal lesen. die geschichtliche aufklärung fand ich auch interssant und ich gebe zu solche punkte nicht bedacht zu haben. anderseits was war mit den heteras? |
kraichkowka: "heute sind wir alle Queer, und alle ein bißchen schlauer" ach marcie, ich habs dir nie gesagt, aber ich liebe deinen trockenen Humor...manchmal zumindest. |
hmm?!;-)): kommt da dann auch ma vor,im nächsten teil, dass männer in uniform ( als fetisch nicht als berufsbekleidung) einfach nicht mehr bedient wurden- wahrscheinlich weil politisch nicht korrekt und dass ich immer mehr leute kenn, die sich in der baustelle nicht wohlfühlen, weil es immerzudeutschschwermütig abgeht und lachen nicht politisch is und sex schon gah nich´???!!!! und wo sind in dieser stadt die schwulen redskins ?! in der baustelle jedenfalls nicht. und , wenn ich recht informiert bin gabs die da mal.... |
Marcie @ hmmm: Verstehe ich das richtig? Deinen Fetisch (also Uniformen), den muss man einfach gern haben - aber der Fetisch anderer Leute (schwermütiges Theater zum Beispiel ;-), der darf einem schonmal lästig sein? |
naumi @ hmm?!;-)): Vielleicht gibt es zzt. in der baustelle ja auch manchmal grad keineN hinterm Tresen, der/die überhaupt gerne in der Situation "(be-)dient"... ;)Mal ernsthaft: Da es sich um keine bezahlte Dienstleistung handelt, kann es wohl schon mal passieren, dass beim Ausschank persönliche Anti- oder Sympathien ´rüberkommen. Ich glaube, dass dürfen sie aber auch. | |