Drag-Kings
Danny King kehrt zurück


Baella van Baden-Babelsberg im Gespräch mit Diane Torr. Dritter und letzter Teil       
( Teil II)


Danny King

Baella: Diane, mich würde ja noch interessieren, was deine schottische Verwandtschaft zu all dem sagt.

Diane: Meine Mutter starb als ich 16 Jahre alt war, und zu meinem Vater hab ich nicht sehr viel Kontakt. Mein älterer Bruder ist Buchhalter. Es gab eine Zeit, in der wir nicht wirklich in Kontakt miteinander standen. Ich glaube, er hat nie wirklich begriffen, was ich tat. Aber seit dem Tod meines jüngeren Bruders haben wir wieder Verbindung; ich hatte eine viel nähere Beziehung zu meinem schwulen Bruder. Ich glaube diesbezüglich ist er sehr stolz darüber, was ich erreicht habe, mein Standing. Heute lebt er in England, wohin wir zogen als ich fünfzehn war. Seine Familie und meine Tochter und ich, wir feiern auch Weihnachten zusammen.

Baella: Du hast eine Tochter?

Diane: Meine Tochter ist jetzt achtzehn Jahre alt. Sie ist mit meiner Arbeit aufgewachsen. Wir haben einen sehr engen Kontakt und führen intensive Gespräche darüber. Als sie 13 war und ich von einem Journalisten interviewt wurde, erzählte der mir, dass meine Tochter auf seine Frage, ob das nicht verrückt sei, was ich da mache, antwortete, dass es viel verrücktere Dinge gäbe, wie z.B. männliche Gynäkologen. Das war für mich sehr interessant. Als 13 Jährige beginnt sie über ihre Sexualität nachzudenken und sagt: ich möchte nicht, dass ein männlicher Gynäkologe in meine Vagina guckt. Es ist schon unangenehm genug, dass jemand sich deine Genitalien betrachtet, aber dass das auch noch ein Mann ist, das war für sie verrückt. Ich war darüber sehr betroffen, weil nicht ich es war, die ihr das gesagt hat, mit dreizehn ist das definitiv eine eigene Überzeugung.
Ich dachte, vielleicht sollten wir mal dreizehnjährige Mädchen darüber befragen, was in dieser Gesellschaft beschissen ist, denn wenn du älter wirst, vergisst du vieles. Teenager haben soviel dazu beizutragen. Sie haben Ansichten, die einfach ignoriert werden. Sie haben eine Sensibilität für vieles, was in der Gesellschaft schief läuft, für Heuchelei, Überheblichkeit usw. Wenn sie älter werden, beginnen sie, diese Dinge immer mehr zu akzeptieren.

Baella: Warst du inzwischen mal wieder in Aberdeen?

Diane: Ja, ich wollte meine Großtanten, die Schwestern meiner Großmutter besuchen. In Aberdeen haben die Frauen eine starke Position, denn die meisten Männer sind manchmal bis zu drei Monaten mit ihren Fischerbooten in der Nordsee unterwegs. Die Frauen organisieren also zu Hause alles und haben eine große Macht. Meine Onkel fuhr mich also zu diesen Großtanten und sagte mir ganz verunsichert: "Ich weiß nicht, was deine Tanten über dich denken". Ich fragte ihn, was er damit meine, und er sagte: "Deine Tanten haben dich in diesem Film der BBC gesehen, in dem du als Mann aufgetreten bist." Ich sagte: "Tatsächlich? Was hältst du davon?" Und er antwortete nur: "Ich denke, John Knox ist tot ". John Knox ist der Martin Luther King von Schottland, ein Reformer. Schottland ist sehr konservativ. Ich wußte, wenn ich zu meinen Tanten allein hinginge, würden sie nicht einen Tag für mich Zeit haben. Aber mit meiner Tochter, die sehr lebendig und offen ist, wirklich bezaubernd. Sie ist der Ausweis, um bei ihnen einzutreten.
Es ist etwas ganz anderes, in diesem Zusammenhang als Mutter aufzutreten, und das als Künstlerin, und bisexuell. Ich glaube, ich hätte dort nicht den gleichen Vorstoß gelandet, wenn ich nur eine Künstlerin gewesen wäre, die Sex mit Frauen hat.

Baella: Du sagtest, dein jüngster Bruder ist tot.

Diane: Ich verdanke ihm viel. Er hat mich schon in drag eingeführt, als ich fünf oder sechs Jahre alt war. Er war 15 Monate älter als ich und schwul; 1992 ist er leider an AIDS gestorben. Ich ehre auf meine Weise eine Menge von Männern die ich kannte und die an AIDS gestorben sind. Seit vier Jahren mache ich jedes Mal am 1.Dezember, am Welt-Aids-Tag einen Event, der sich "Brother for a Day" nennt. Schwestern, deren Brüder an AIDS gestorben sind, können für einen Tag ihre Brüder sein. Das ist mehr eine Art der Erinnerung an sie und der Ehrung ihrer Seelen als die Trauer über ihren Verlust. Mein Bruder z.B. schlüpfte immer in die Rolle von Dusty Springfield und sang immer so wunderbar ihre Lieder, die so romantisch und so dicht sind. Wenn du in Schottland aufwächst, gibt es nicht viele schwule Künstler, weißt du. Und Dusty Springfield war die einzige, auf die er damals traf.

Red Ribbon

Baella: Diane, Danny, ich danke dir für das Gespräch. Hoffentlich können wir dich bald wieder in Berlin begrüßen.

Ihnen, liebe Besucherinnen und Besucher des Kulturhauses danke ich für Ihre Aufmerksamkeit. In der Reihe über multiidentische Persönlichkeiten werde ich mich im Februar mit Irmgard Knef unterhalten, der Zwillingsschwester der großen Hilde. Ulrich-Michael Heißig steht beinahe Abend für Abend seine Frau. Er ist ein Herz. Und gutaussehend obendrein. Ich freue mich.