die letzte likörselige Frauentagsrunde der LPG "Fortschritt"
von Robert M.

Zu DDR-Zeiten, und einen Grossteil meiner Sozialisation habe ich mir dort abgeholt, wurde der Frauentag gefeiert. Ein Kampftag war es nicht mehr. Wir Schüler sammelten Geld, um unserer Klassenlehrerin ein Geschenk zum Frauentag zu machen. Bei einer Klassenstärke von ca. 20 und einem Beitrag von einer Mark kam jährlich immer ein Highlight des zeitgenössischen Kunsthandwerks zusammen. Heute würde ich mich distanzieren von derlei Geschmacksverirrungen. Doch eine der DDR-Errungenschaften, der staatlich organisierte Emanzipationskampf, fand mit dem Untergang des Arbeiterinnen- und Bäuerinnenstaates auch sein jähes Ende.

Als der Women’s Pride Day, wie der Internationale Frauentag Ende der 80er in der DDR besser geheissen hätte, aufhörte, die gesellschaftliche Befreiung der Frau zu feiern, ging’s auch zurück mit den Errungenschaften. Es war Schluss mit den offiziellen Feiern für die Frauen, die die sozialen Errungenschaften des Staates für die Frauen herausstellten. Die Kartoffelsortieranlage, in der zwei Drittel der Frauen eines Dorfes im damaligen Kreis Teterow arbeiteten, sollte das letzte mal die likörselige Runde der LPG-Bäuerinnen für einen gemeinsamen Feiertag freigestellt haben. Meine Tante war auch dabei. Als ich sie abholte, hatte sie Tränen in den Augen und sagte: „Das war wohl mein letzter Frauentag.“

Die DDR war noch nicht mal richtig aufgelöst, die Abwicklung (Wort des Jahres 1990) der VEBs noch nicht mal angelaufen, da musste ich mit ansehen, wie meine damalige Altergenossen sich nicht nur über Bananen und die Jeans freuten, sondern auch darüber, den Muttertag wieder ordentlich begehen zu können – und den Frauentag Frauentag sein zu lassen. Was den gelernten DDRlern jahrelang in den Kopf gemeisselt wurde, die Gleichberechtigung von Mann und Frau – und was alles notwendig war dazu, von Kindergartenplätzen bis Frauenquoten etc, wurde so schnell für’s neue Konsumglück aufgegeben. Das ging einher mit einem gesellschaftlichen Umbruchklima, in dem nicht nur nach Videorekordern, sondern auch nach Halt gesucht wurde. Großmacht-Deutschland-Fantasien auf der einen und mehr oder minder Frau-an-den Herd-Fantasien auf der anderen Seite waren das Resultat dieses Bananenglücktaumels. Die Kochstellenfantasien wurden noch ordentlich mit der Lobpreisung der Kleinfamilie als Kern der Gesellschaft aufgepeppt, und das mütterliche Herz als der einzige authentische Weg zur ewigen Glücksseeligkeit beschworen.

Mein Vater, doch eher konservativen Ideen und Gedanken gar nicht abgeneigt, um das Thema mal schön zu reden, muss aber an dieser Stelle mal gelobt werden. Den Kunsthandwerksmarkt der DDR nicht noch weiter schröpfend – und uns Kindern die letzten schmiedeeisernen Wandgehänge als Pädagogengeschenk lassend, griff er zum Klassiker: Blumen. Doch Blumen waren in den etwas schlechter planbewirtschafteten ländlichen Verkaufsstellen nicht zu haben, zu mindest nicht am 7. März. Die Betriebsfeierlichkeiten-Organisatoren hatten sämtliche Freesien- und Chrysanthemenbestände bis auf die letzten Mutationswunder aufgekauft. Dann war es wieder Zeit für ein Zaubertrick á la DDR, den mein Vater von langer Hand vorbereitet hatte: Blumen am 7.März. Irgendwie hatte er einem Arzt dann doch einen Gartenteich nebenbei im Herbst gebaggert, und der Arzt hatte der Gärtnersfrau das Fett abgesaugt – mein Vater bekam als Entlohnung am 7. März dann immer einen Riesenblumenstrauß vom Gärtner. Und diesen Strauß bekam meine Mutter zum Frauentag, auch nach 1990, auch heute noch.

Doch der Internationale Frauentag hat durchaus eine längere Tradition – und vor allem mehr Kampf als Feierlaune in seiner Historie. Vor allem im westlichen Deutschland war er durchaus auch Kampftag. Darum hier ein Link, der mehr über die Geschichte des Frauentags, Clara Zetkin und die proletarische Frauenbewegung zu berichten weiß als meine Erinnerungen an die LPG "Fortschritt".
Frauenwahlrecht

Wessi: Bei meinen Eltern gibts die Blumen ca. zwei Monate später. Zum Muttertag. Ihr Ossis seid schon irgendwie zu beneiden.  
ossi: @wessi --- Das versteh ich nicht, dein vater kann doch nur seiner seiner mutter ... zum muttertag. Nur Du könntest deiner Mutter zum Muttertag ... . Oder wie ist das da mit der Vater - Mutter - Kindbeziehung?  
für BerlinerInnen: 13.03.: "Unsere Mutti ist die Beste!" Zum Frauentag ein Abend von und mit den schamlosesten Schwulenmuttis der Stadt in der  Rattenbar.
bloss EINE emanze: hat der gaertnersfrau das fett abgesaugt? HALLO? scoen das ihr soviel gemerkt habt! glueckwuensche zum frauentag!!!!!!!  
Inge, die blaue Fliese: Hallo Emanze, dass mit dem Fettabsaugen war in der DDR nicht mit der Sozialversicherung zu bekommmen. Du magst zwar etwas gegen Brustimplantate, Fettabsaugen, Trimm Dich Programme, Tätowierungen im Allgemeinen haben, ich nicht! Und es ging in dem Beispiel wohl eher über die 3 Tauschecken und nicht um das Fettabsaugen. Aber wo wir schon mal dabei sind: In wie weit mann und auch frau sich abhungert oder anderweitig schön macht bzw. Werbeidolen krankhaft hinterhängt oder sich die Pfunde von der Rippe spart oder eben damit unzufrieden ist, ist ein anderes Thema. Und kein "Frauenthema" mehr. Männer, besonders Schwule haben inzwischen die gleichen perversen "schön-sei" und "fit-sei" Süchte.  
Es geht vorran...: Meine Mutter hat einen Blumenladen im tiefen Westen, hinter Krefeld. Früher waren dort der "weisse Sonntag" und der "Muttertag" Großkampftage, an denen sogar ich als Kind arbeiten musste (Katholizismus! Kapitalismus!). Vorbei! Heute verkaufen meine Mutter und meine Oma Blumen zum internationalen Frauentag - und finden das sogar besser als Muttertag. Obwohl es doch "aus dem Sozialismus" kommt. (mc)