Henningstadt
Er kann mehr als Brod essen!
Jüdisches Sprichwort


Gisela gibt Ihnen nun eine Romanrezension.



Der Roman "Henningstadt"

"... kann als zeitgenössischer Coming-out-Roman beschrieben werden ... ." [sergej - münchen]

Der Autor (der 26jährige) Marcus Brühl ("... Markus Bruhl ..." [siegessäule])

"... ist mehrfacher Preisträger... Lebensansichten einer gepflegten Tunte bereits veröffentlicht... " [tv hören und sehen]

Die Erzählerin: Tete, eine kluge und erfahrene Berliner Tunte.


Tete erzählt die Geschichte von Henning. Henning lebt in einer kleinen deutschen Stadt, Henningstadt an der Henning, ist 17, Schüler und sieht gut aus (das Cover ist übrigens dem gemäß ansprechend gestaltet). Wir lernen Henning kennen, als auch er eine wichtige, jedoch zunächst recht verwirrende Bekanntschaft macht: die mit seiner Lust.

Henning scheint zunächst ein bisschen überfordert von dem, was sich da in ihm Bahn zu brechen beginnt. Seine beste Freundin Isabell, auch mit den Phänomenen des Heranwachsens beschäftigt, wird nun zum Katalysator des genregebenden Ereignisses: Als sie sich von ihrem Freund Andreas trennt, um an ihrer Seite Platz für Henning zu schaffen, reagiert Henning anders als erwartet. Henning hat sein schwules Coming Out. In der örtlichen Schwulengruppe SIH (Schwule Initiative Henningstadt) lernt Henning Steffen und mit ihm auch die Freuden des schwulen Lebens kennen. Erst ganz kleine in der Unterwäscheabteilung eines Kaufhauses und dann größere... Doch was macht dieser Steffen? Er verdrückt sich nach Berlin, flieht vor Nähe und Nägeln mit Köpfen.

Hennings Offenbarung vor seinen Eltern markiert zwar den Beginn einer wertvollen Entwicklung, aber ihre ersten Reaktionen geben Henning nicht die ersehnte Geborgenheit. Es ist mal wieder Zeit für eine befreiende Maßnahme. Henning folgt Steffen nach Berlin. Hier trifft er Tete, die, da sie so gut und unterhaltsam erzählt hat, inzwischen selbst zur Romanfigur werden durfte, und nun ihrerseits an den Ereignissen mitstrickt.

Sie brauchen wirklich keine Angst vor diesem Werk zu haben. Kein betonschweres, feuchtgespachteltes Krisenlamento erwartet Sie, sondern eine fein austarierte Erzählung, die von guter Beobachtung und gebildetem Handwerk zeugt. Dass Marcus Brühl den Blick vom Focus auf Henning auf das Erleben der anderen Figuren erweitert hat, hebt den Roman deutlich über den Coming-out Plot hinaus zum Bericht über die Bemühungen einer Generation, sich in der Welt zu positionieren.

Als Henning sich seinen Eltern offenbart, und nicht nur da, beschert uns der Autor ein magisches Erlebnis. Wir dürfen eintauchen in das elterliche Wohnzimmer, das sich um den leser herum verdichtet. verdichtet. Er ist gefangen. Aus dieser hautnahen Teilnahme entlässt ihn Marcus Brühl aber auch wieder. Lehnen Sie sich zurück, und folgen Sie amüsiert, aus sicherer Entfernung der fortschreitenden Handlung.

Der Autor ist den äußerst menschlichen Eigenarten der Figuren freundlich zugeneigt, doch hier und da kam wohl auch mal die Kaltnadel bei der Freilegung zum Einsatz. Man freut sich gleichermaßen über Neuentdeckungen wie über die Begegnung mit alten Bekannten. Besonders diejenigen unter uns, die auch durch die Schule der Coming-out-Gruppe gegangen sind, werden dies unterschreiben können.

Die Gliederung des Romans findet man durch planmäßig gestreute Zitate kluger Größen unterstützt. Diese geben das folgende Thema an und erzeugen auch, da es sich um Lyrisches handelt, einen netten Kontrast. Es bleibt allerdings ein bisschen der Eindruck haften, dass hier jemand was beweisen will.

Nichtsdestotrotz ist die Sprache des Romans aus dem prallen Leben gegriffen. Die engen Vorgaben des Genres Coming-out -Roman würzt Brühl mit originellen Einfällen. Noch im Abgang überrascht der Autor mit einer unabsehbaren Wendung. - Besuchen Sie auch die Homepage Henningstadts unter www.henningstadt.de, wo die Welt des Romans noch einmal in einer anderen Form der Virtualität real wird.



Der Roman "Henningstadt" von Marcus Brühl ist bei MännerschwarmSkript erschienen und für DM 35,20 in jeder Buchhandlung zu haben.


wochen später: viel besprochen, aber scheinbar nie gelesen... warum sonst das schweigen hier? (oder ist es ein peinlich-betretenes schweigen??) die alternative: das buch zum zuhören, gelesen vom autor, samstag, 15.12., 20.00, fliedelich nürnberg, breite gasse 76  
ein tag später: don't worry. was nicht diskutiert wird, muß deshalb noch lange nicht nicht gelesen werden. das zeigen unsere zugriffszahlen. OA (etuxx-seelsorge)  
selbigen tages: warum liest man kritiken? um das buch nicht selber lesen zu müssen und trotzdem mitreden zu können....  
vielleicht...: ...muss man auch nicht unbedingt über dieses buch "mitreden"? ...ist die rezensentin mit dem autoren befreundet? ...gibt sie ihre rezension gar nicht "uns" ("gisela gibt ihnen"), sondern herrn brühl? ...gibt sie auch keine rezension, sondern eine eloge? (oder haben sie in den zeilen oben ein einziges kritisches wort gefunden?) -- wenn hier queens am werk wären, könnte man von hofberichterstattung sprechen.  
Jörg: Gisela zu den Brühlschen Streuzitaten, dessen Artikel-Über-Ich auch hier herhalten muss, dass mit dem Brod, meine ich. "Es bleibt allerdings ein bisschen der Eindruck haften, dass hier jemand was beweisen will." - da schleicht Kritik mit, meine Lieben.