Bread and Roses
Regie: Ken Loach (seit 4.10. im Kino)

so charmant lächelt die Gewerkschaft

Inhalt:
Schweren Herzens lässt Maya ihre Großmutter in Cuernavaca (Mexiko) zurück, um illegal in die USA zu gehen. Nach einigen Querelen kommt sie in Los Angeles an, wo seit langem ihre ältere Schwester Rosa lebt. Energisch und entschlossen gibt Maya einen ersten Job als Kellnerin in einer Nachtbar auf und bekommt einen neuen, als Rosa, die in einer Reinigungsfirma arbeitet, sie ihrem Chef vorstellt. Als Putzfrau findet sich Maya inmitten einer Armee von Angestellten aller Nationalitäten wieder, die in der Nacht in den Offices von L.A. arbeiten. Im Gegensatz zu Rosa kann sie nicht akzeptieren, sich zu unterwerfen. Mit der Handkamera erzählt und mit zwei großartigen mexikanischen Schauspielerinnen bestückt, widmet sich "Bread and Roses" eindringlich einem brennend aktuellem Thema von internationaler Tragweite. Das mitreißende USA-Debüt von Ken Loach ("Land and Freedom") zeigt, dass sein Ansatz des "social realism" und die seinem Werk eigene Kraft von universeller Geltung ist. (Text: Verleih: Neue Visionen)

gesehen von Robert M. auf dem Hamburger Filmfest 2000:
Wischmopp-Lohndumping-Arbeitskampf zwischen Traumgehalts-Staranwälten. Als die multinationale Putztruppe mit triumphierenden Staubsaugern und wedelnden Putztüchern die Anwalts-Cocktail-Party sprengt, sprang auch beim "drögen" Hamburger Filmfestpublikum der Funke über.

Der Film handelt wieder von Loachs Hauptthema (so alt ist der noch gar nicht): soziale Gerechtigkeit. Gewerkschaftsarbeit in Zeiten unendlicher Globalisierung klingt etwas altbacken und aufgewärmt, ist es aber gar nicht. Auch in Deutschland putz so manche "polnische Putzfrau" für 11,00 DM/Stunde und weniger. Ausgespart wird auch nicht, was jeder hierzulande mit Gewerkschaftsarbeit als erstes in Verbindung bringt und befürchtet: endlos lange Diskussionen, Gewerkschaftsfeste als Rituale, auf denen linke Solidarität vorwiegend mit "leeren" Parolen gefüllt werden. Und das dicke Ende! Alle Helden sind keine, gestern mittellos, heute gewerkschaftlich vereint, morgen zuerst an sich denkend ... .

Der Slogan "Brot und Rosen" tauchte zum ersten Mal 1912 auf, als in Lawrence, Massachusetts, Tausende von Migranten, die meisten davon Frauen, für bessere Bezahlung auf die Straße gingen. Anfang der 90er-Jahre wurde er in der Gewerkschaftskampagne "Justice for Janitors" in Los Angeles wieder ausgegraben. Und 2000 von Loach in der deutsch/spanischen/britischen Koproduktion durchaus ansehnlich in Amerika bebildert.

Alles in Allem: Politkino, das einen gelegentlich mit Gefühlen überrumpelt und vor sich selbst erschrecken lässt, sehr sehenswert! Ein bisschen zum Weinen, ein bisschen zum Nachdenken, ein bisschen zum Lachen.

Sascha B.: So, nun hab´ ich´s auch gesehen. Ja, es war Sozialkitsch vom Feinsten - und es wurde der erbärmlichen Situation der working poor immigrants in den USA nicht gerecht. Klassische Moralkonflikte: Prostitution aus Not vs. Verrat ggüb. den Kollegen/Genossen. Musikalischer Schmacht über die Aktionen gelegt, wo Stimmengewirr, Angst, Aggression authentischer gewesen wären. Eine Abschiebung zum Schluss als melodramatischer "bitterer Tropfen". Im Grunde eine Feier us-amerikanischer Mainstream-Ideologie: "Du kannst, wenn Du willst". Die wirklichen Opfer (hier: die früh Entlassenen) wurden nicht mehr erwähnt. Richtig, Robert: ein bisschen von allem - und am Ende viel zu wenig!  
Brenda: Komm Sascha, du hast einfach keinen Sinn für grosses romantisches Kino... :-)  
Robert: ja Sascha, ich sagte Politkino!, wenn Dich emotional nichts bewegt an, wie sagtest Du, "Klassische Moralkonflikte", für meinen Geschmack, ein sehr wichtiges Thema, immer der gleiche Konflikt ... und trotzdem löst ihn jeder anders. (Achtung Crossfooing!!!) Mancher Punk wird zum ekeligen "halbchef" als Webdisigner, macher wird dann Chef und bleibt ein netter Kerl, achtet auch drauf, dass die Putze auch mehr als 11,00 DM bekommt. Viele stehen "beruflich" irgendwann vor dem eignen Ekel und ... (haben früher Häuser besetzt etc.) ... ich finde den "Sozialkitsch" eben immer aktuell. Und ich warnte vor "Politkino"!  
Sascha B.: Robert, es geht nicht um das Thema, das ich, wie auch deutlich geworden sein sollte, wichtig und bedrückend genug finde - das Thema, nicht den Film - das wirst Du doch wohl noch auseinanderhalten können?! Es geht um dessen unzureichende und tatsächlich verharmlosende Umsetzung (die übrigens auch Brenda (mit der ich das zusammen sah), als ich ihr mein Unbehagen an ein paar Szenen deutlich machte, eingeräumt hat). Ich bin einfach nicht naiv genug, um das wirklich für gutes, politisches Kino zu halten.  
Der skeptische Scheff: vermutet, daß der deutsche Verleih gut und gerne DGB heißen könnte. Wie wäre es mit der Kategorie "Gewerkschaftsfunktionärskino"?  
Robert: für den Scheff und Sascha: andere Titel aus dem Verleih (Neue Visionen): "Arbeit im Mehringhof oder: Wege ins Paradies" lassen andeuten, dass sich der Verleih nicht nur ums Geldscheffeln kümmert. Falls Ihr je selber mal irgend ein Buch geschrieben, eine Tuntenshow, eine Bühneninszenierung oder ein Film gemacht habt, dürftet Ihr verstehen, dass es stets darum geht, rüberzukommen mit dem was man will + unterhalten! Ihr fordert Kritik ja, spitz und tief für 10 Leute, der ist "flacher" für viele. Was nicht heißen muss Massenware für Millionen!  
Robert: Wer jemals andere Lebensperspektiven für sich und seine Zeit gesucht hat, die zwischen Kapitalismus abschaffen, jetzt und heute - und nur das Geld zählt am Ende, der weiß vielleicht um die Zweifel, die der Film aufwirft. Werft ihm (und damit auch mir) gewerkschaftlichen Reformismus vor! Vielleicht ist der Film auch nur für so Emo-Schnullis wie mich, die so manche Plattitüde im Gehirn retuschieren, am Ende einfach übersehen, um auf Details verweilen zukönnen.  
Sascha B.: Welche Details meinst Du, Robert? Gerade in den Details zeigte sich der mangelnde Mut des Regisseurs zum Realismus, zum unverkitschten Blick auf die soziale und persönliche Situation der Leute, für die er Partei ergreift! Ein nahezu klassischer Fall linker Stellvertreterpolitik!