Political Correctness

Versammlung der Druckerinnen
Versammlung der DruckerInnen
von Jiri Ceiver

Ist an meinen Computer eine "DruckerIn" angeschlossen? Erscheint es geboten, von "herstory" anstelle von "history" zu sprechen? Daß "Neger" die so Bezeichneten diskriminiert, dürfte inzwischen auch der letzte Dorfdepp wissen, aber weiß der auch, daß "Schwarze" genauso obsolet ist, ja nicht einmal mehr "Afro-Amerikaner" p. c. ist, sondern "Sun People" oder "newly emergent people" sich anschicken, die englisch-deutsche Sprachbarriere zu überklettern und die Norm für politisch korrektes Sprechen zu werden?

P. c. - political correctness - ist in aller Munde und in den heiligen Hallen meiner geliebten etuxx-Foren ein hoch bewertetes Gut. Mit der Bewertung von Gütern, mit der Frage, ob das bis zum Erbrechen strapazierte Gut der Meinungsfreiheit höher oder niedriger zu bewerten sei als das Gut der persönlichen Unversehrtheit (durch verbale Beleidigung gefährdet) - mit staubtrockenem juristischem Handwerkszeug also versucht Arne Hoffmann u. a. herauszufinden, wo "Political Correctness" "zwischen Sprachzensur und Minderheitenschutz" einzuordnen ist und legt in seinem gleichnamigen Buch (ISBN 3-89608-117-9) für mich recht überzeugend dar, daß solch Handwerkszeug nicht nur untauglich-stumpf ist, sondern er zeigt auch in umfassender linguistischer Analyse Wirkungen von p. c. auf: Dem Herrenrecht der Benennung als Neger oder Zigeuner wird durch "rationale radikal-demokratische Gegendiskurse" entgegengetreten, denn "Minderheiten, Frauen, Schwule und Schwarze" haben es schwer, ihre Anliegen an die Öffentlichkeit zu bringen.

Hoffmann - ganz Philologe - bezeichnet das als "semantischen Kampf", und soweit dürfte jeder/m etuxx-Diskutierenden klar sein, wo sie/er sich "verorten" will. Darf ich nun aber qua politischer Korrektheit die "sexistischen" Songs meiner geliebten Prollskin-Combo "Die Kassierer" nur noch mit zugehaltenen Ohren hören? Muß ich meinen Kerl jetzt "rektal mit einem Gummikunstglied penetrieren", wo ich ihm doch viel lieber mit einem Dildo kräftig in den Arsch ficke? Darf ich darauf hoffen, daß - Wirklichkeitsstrukturierung durch Sprache hin oder her - nun alles gut wird und eine Prohliser Plattenbauglatze nun nicht mehr Fidschies, sondern ausländische Mitbürger klatschen geht?

Ein Satz bei Hoffmann hat es mir besonders angetan: "Damit bewegt sie (die p. c.-Bewegung - J. C.) sich aber immer noch im üblichen Rahmen des semantischen Kampfes, der zu Recht als >konstitutives Element in der Politik in pluralistischen Gesellschaften< verstanden wird. Eine >Gefahr für die Demokratie< [...] läßt sich nicht konstruieren." Will das die aufrechte anarcho-kommunistische Polittunte? Hoffmann zitiert dazu Michael Bonder: "PC ermöglicht es den Gewinnern, mit den Verlierern 'politisch' noch umzugehen, nämlich in korrekter Sprechweise,, ohne aber an deren [...] Situation etwas ändern zu müssen oder zu wollen. [...] PC ist in erster Linie Etikette und keine Politik."

Es geht also um nicht viel mehr als Höflichkeit und Respekt und verlagert die Diskussion von der Inhalts- auf die Formebene, wenn wir um p. c. streiten. Gutmensch oder Punk - heuchelnde Anteilnahme oder Provokation machen das pro und contra der political correctness aus. Wenn ich als Ossi ganz en passant vom Sprachwissenschaftler erfahren habe, daß Filbinger 1974 dekretierte, das Kürzel BRD sei nicht mehr zu verwenden, so werde ich es auf Formularen weiterhin, nunmehr aber auch mit aufgeklärtem Vergnügen dahin schreiben, wo für gewöhnlich bei der Angabe der Staatsangehörigkeit "deutsch" erwartet wird. Und mein Kerl ist und bleibt ein gieriges Fickloch!
bambusbär: daß die "gewinner" auf etikette achten, ist nett von ihnen. aber was haben eigentlich die verlierer davon, so angesprochen zu werden? gar selbst so zu reden (man findet das etwa im friedens-forum)? in inkorrekten verhältnissen sind die inkorrekten begriffe korrekt.  
moritz: p.c.-sprech ist eine festlegung der herrschaftsverhältnisse mit anderen mitteln. oder was soll mir ein wort wie "transidentisch" sagen? meine identität transzendiert oder doch nur der hinweis darauf dass wir hier bipolar leben und sterben?! ich erinnere : "people of coulor"... wie bitte? direkt aus dem aquarell farbkasten- oder so? vorläufig manifestieren wir also pc mässig MACHT  
Kolja: transidentisch hätte ich nun nicht bei p.c. "verortet", sondern bei einem der vielen krampfigen versuche, schubladen umzubenennen.  
cancer: da worte letzendlich mittel sind um dingen eigenschaften anzuheften - empfehle ich eigenständiges annahmen von nicht-p.c. worten. will heißen annahme von begriffen wie stumm, blind (und nicht "anderssehend"), krüppel, schwul, etc...  
Koljas kurzfassung zum salon perverse: sowie krieg statt humanitäre einsätze, soldaten sind möder zu den heroen des oderhochwassers, sowas kommt von sowas trotz betroffenheitsdiktatur zu einstürzenden hochhäusern. und die ehrlichkeit, sein unbehagen gegenüber israelische siedlungspolitik zu äußern, trotzdem man deutscher ist.  
Leo: cancer, ich habe gerade ein schönes Beispiel dafür life erlebt. Es gibt Leute, die sich "Auslanders" statt "MigrantInnen" nennen: Die (übrigens hinreißenden) Ladies von der  Black Girls Coalition
Die dumme Glatze: wundert sich, daß nur korrekt ist, wenn Leute SICH SELBST Auslanders nennen, nicht-p.c.-Wörter nur dann p.c. werden, wenn sie auto-affirmativ gebraucht werden. (Die dumme Glatze lernt gerade Fremdwörters.) Selbst-nicht-p.c.-Bezeichnung ist also doch höchst p.c.! Ergo darf ich mich ganz p.c. zwar als schwule Glatze in Szene setzen, aber für andere entweder nur so unmerklich, daß potenziell Verschreckte nicht Angst vor mir haben müssen, oder ich muß mich mit Erklärungen behängen, daß ick jezze voll pieh-sieh bin, wah ey, alta, und einer von den Guten Skins, damit mich Antifa-Kinder nicht verkloppen. Na Bingo und vielen Dank!  
Kolja: das ist aber so: du darfst ne schwuchtel nur schwuchtel nennen, wenn du der schwuchtel gegenüber als guter bekannt bist. du darfst nur kritisch zu frauen sein, wenn du bekanntermassen feminist bist...  
raissa: dieses anti-pc-gedisse ist ja sowas von langweilig. kolja und glatze, wenn ihr besser schreiben würdet, könntet ihr zum feuilleton gehen, da lese ich eure witzchen seit jahren. -- es geht nicht um standardisierte sprachregelungen, sondern um macht- und herrschaftsverhältnisse, die sich über sprache vermitteln. ich lasse mich nicht von irgendwem "schwuchtel" nennen, das ist doch klar, denn in der regel ist das eine beschimpfung.  
Bert the Evil: raissa: der macht und herrschaft iss egal, wie sie angesprochen wird, hauptsache, sie wird nicht real oder verbal angegriffen. "ich bin schwul, und das ist auch gut so" paßt prima dazu. "ich laß mich in den arsch ficken, und das macht echt spaß", DAS wäre subversiv gewesen. allerdings hätte es dann keine macht für wowi gegeben.  
Lore: Bert, dann wäre es eben auch nicht subversiv gewesen. Subversion heißt doch "Umsturz" von Machtverhältnissen, oder?  
Bert the Evil: wenn die berliner wowi danach noch gewollt hätten, dann wäre ein machtverhältnis umgestürzt worden. aber er hat ja sogar angst davor, mit den konservativen von der pds zu koalieren. wahrscheinlich iss er nicht mal schwul, sondern nur ein bißchen ins homoerotische abirrend.  
Sascha B.: Eine Koalition mit der PDS wäre jetzt aber auch kein Beweis dafür, dass Wowi schwul ist, oder? Er hat sich einfach "schwul" genannt, weil man das seit einigen Jahren so sagt. Bestimmt ist er lediglich homosexuell. "Schwul" ist eben der politisch korrekte Begriff, der keinen subversiven Charakter mehr hat und längst nicht mehr ein bestimmtes politisches Bewusstsein bedeuten muss.  
Frank Steffel: Doch, doch, alle PDS-Wähler und ihre Freunde sind Schwuchteln!!  
Kolja: @raissa: du bekommst 10 weitere ideologie-punkte. weil du nicht weisst ob ich gut oder böse bin, nicht weisst ob ich zynisch oder dusslig bin. ich ergänze: nur wer als gutmensch bekannt ist, darf über p.c. herziehen.  
Die dumme Glatze: Gorbatschewa, kannst uns ja zum bürgerlichen Feuilleton vermitteln und sicher kannste uns auch besseres Schreiben lehren. Im Ernst: Welchen Sinn hat die (bewährte) cancer-Strategie der nicht-p.c.-Bezeichnungsannahme, wenn das nur gute Bekannte dürfen? Klar geht es um "Wirklichkeitsstrukturierung durch Sprache", aber wie, liebste Gorbatschewa, willste die Machtausübung gaaanz subversiv unterlaufen, wenn du mit deiner Strategie mittendrin steckenbleibst? So eine Strategie funktioniert doch nur dadurch, daß du erklärst, daß als Beschimpfung gedachte Benennungen an dir abprallen.  
Leo: Zum Thema Wowereit: Kennt jemand einen heterosexuellen Politiker, der von sich sagen würde: "Ich mache als Heterosexueller Politik, aber ich mache keine Familienpolitik, denn ich bin selbst Familienvater und da könnte mir das als Klientelpolitik fehlgedeutet werden"?  
Kolja: ich kenne ne reihe heterosexuelle politiker, die keine familienpolitik machen und die auch nicht genötigt werden, welche zu machen.  
Sascha B.: Neulich war ich bei einer Diabetesberaterin. Die verkündete mir als erstes, dass sie selbst Diabetes habe. Und war sehr sauer, als ich mit dem Satz reagierte: "Oh, da gehören sie ja auch zu denen, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben!".  
B.malvorlaut: Das ist ja ne merkwürdige Debatte. Wir wissen das Sprache Macht ist und sie auf Gesellschaft zurückwirkt und diese wiederum prägt. Sprache ist also ein Herrschafts- und Gewaltinstrument, aber eben nicht das Einzige. Die Linke hat sich defensiv auf die - oben beschriebene -Sprachkritische Ebene abdrängen lassen. Aber - holly shit- wieviel Linke gibt es denn noch die dieses "Gutmenschentum" (K. Bittermann) hochhalten? Reiht man sich nicht in die Kritik der Jungen Freiheit ein und schlägt auf Gegner ein, die nur noch zucken? (Zum differezierten weiterlesen: D. Diederichsen: Politische Korrekturen)