Von Lore Logorrhoe
Der neue Hamburger Senat kürzt wie erwartet Geld beim Sozialen, wie
man es ja ohnehin seit Jahren gewöhnt ist. Betten in der AIDS-Station des
Hafenkrankenhauses sollen gestrichen werden. Damit wäre eine spezifisch
abgestimmte Versorgung der Patienten nicht mehr möglich, die jetzt auf
andere Stationen verlegt würden. Die Rationalisierungs- und Sparpolitik
interessiert sich nicht für die oft lebenswichtigen besonderen Belange der
Betroffenen. Sie definiert die frühere Behandlungsform als Luxus, auf die
kein allgemeiner Anspruch besteht.
Zuletzt hat Leuchtfeuer, ein Verein, der ein AIDS-Hospiz betreibt und
die Betreuung von AIDS-Kranken unterstützt, eine Benefiz-Kampagne
gestartet, um die gestrichenen Betten aus privaten Geldern zu finanzieren.
Geld für soziale Zwecke zu spenden, vielleicht noch anlässlich einer Soli-
Party, finde ich ja im Grund gut, edel und sinnvoll. Aber in diesem Fall, der
kein besonderer ist, stört mich etwas gewaltig daran: Mit meinem Geld
springe ich in die Versorgungslücke, die der sich zurückziehende neoliberale
Sozialstaat hinterlassen hat. Bezahle ich damit nicht die Kosten einer Politik,
die ich falsch finde, die aber - gerade weil es Leute mit sozialem Gewissen wie
mich gibt - umso besser funktioniert?
Nicht umsonst geisselt neoliberale Politik die "Versorgungsmentalität"
und lobt das "Bürgerengagement" in blumigen Tönen. Die Bevölkerung wird
damit darauf vorbereitet, dass sie sich um ihre soziale Sicherheit gefälligst
selbst kümmern soll und der Staat nicht mehr bereit ist, die Risikodeckung
zu übernehmen. Gerade linke Communities, die schon lange eigene
solidarische Netzwerke geschaffen haben, weil sie weniger mit staatlicher
Fürsorge bedacht worden waren, passen plötzlich ins neue Leitbild der
Gesellschaft aus Selbstunternehmern. Mir scheint, dass gerade die Grüne
Partei so mühelos auf den neoliberalen Zug aufspringen konnte, weil sie
schon immer anonyme Institutionen kritisiert und an das soziale Gewissen
des und der Einzelnen appelliert hat. So kann man Sozialabbau als
Demokratisierungsgewinn verkaufen.
Mir ist jedoch völlig unklar, welche Konsequenz ich daraus zum
Beispiel für den Fall in Hamburg ziehen soll. Mein Geld wird ja akut
gebraucht und für die Betroffenen geht es zum Teil um ihr Leben. Zynisch
wäre es, ihnen zu erklären, dass ich ihnen mein Geld nun wirklich nicht
geben kann, weil ich damit den Vertretern des Staates den Eindruck
vermitteln würde, dass es immer einen Dummen gibt, der ihnen die Arbeit
abnimmt. Ich könnte argumentieren, dass sich die unmenschliche Politik des
Senats erst offenbart, wenn die Versorgungskrise sichtbar wird.
Bürgerliche Wohltätigkeitspolitik ist nicht daran interessiert, die
Verhältnisse grundlegend zu ändern, sondern ihre schlimmsten
Auswirkungen zu lindern, damit sie fortbestehen können. Wenn ich mich
aber entschliesse, das Geld irgendwie aufzutreiben, wie kann ich dann
trotzdem wirksamen Widerstand gegen neoliberale Politik leisten? Den
Hamburger Senat wird mein Zähneknurren beim Ausfüllen der
Spendenquittung wenig interessieren, solange der Rubel rollt.
|