Will you ever love me, darling?
Homo-Ehe: Gebt ein, zwei, viele Ja-Worte!
Die etwas Lebenklugeren unter uns werden wissen, dass man die Frage, ob man seinem Liebsten ewige Liebe zu schenken gedenke, nicht ernsthaft beantworten kann. Realisiten müssten ein "Nein" entgegnen. In der Regel der Fälle wird der Angesprochene aber mit einem "Ja" antworten, und das im guten Wissen darum, dass er lügt. Auf dieser und ähnlichen Formen von Heuchelei, die man dann als Höflichkeit bezeichnet, baut der Zusammenhalt unserer Gesellschaft auf. Oder haben wir die Frage "Wie geht es dir?" wirklich immer ernst gemeint? (Jetzt kommt der Spruch mit dem ersten Stein und so, Sie wissen schon...)

Es handelt sich um eine notwendige Lüge, auf der die Zukunft der Beziehung aufbaut. Wer ja sagt, trifft nicht so sehr eine Aussage, sondern er gibt ein Versprechen ab, das als sozialer Kitt fungiert. Es liefert eine Sicherheit, auf die sich der andere in der Krise berufen kann: "Aber du hast mir doch ewige Liebe geschworen, Liebling!" Obwohl wir alle aus bitterer Erfahrung nur zu gut wissen, wie vergänglich Liebe ist und dass wir nicht Herr unserer Gefühle sind, lechzen wir doch alle nach einem symbolischen Ritual, das das Versprechen von Ewigkeit enthält. Heteros nennen so etwas oft "Ehe" oder "Kinder". Auch Homos rennen heutzutage wieder offenen Auges ins Verderben. Was lockt so sehr am Bund fürs Leben?

Nun, ich denke, dass es ein legitimes und notwendiges Bedürfnis nach Verbindlichkeit und nach Ritualen, die diese Verbindlichkeit für sich und die Öffentlichkeit besiegeln, gibt. Die Alternative zur Ehe kann ja nicht die völlige Deregulierung des sexuellen Marktes sein. Wir brauchen Wahlverwandtschaften, die soziale Bindungen herstellen, die über die aktuelle Laune und den narzisstischen Genuss im Hier und Jetzt hinausgehen, weil sie zur Fürsorge verpflichten. Es liegt eine gewisse Schizophrenie darin, einerseits an der Ehe zu kritisieren, dass sie eine staatliche Insitution ist und uns andererseit ganz selbstverständlich auf staatlichen Institutionen auszuruhen, die unsere soziale Sicherung organisieren. Deshalb möchte ich ein sehr persönliches Beispiel aus einer Szene zur Diskussion stellen, die sich einerseits sehr viele Gedanken um gegenseitige Verpflichtung und um Bindungsrituale macht und die andererseits durch das aktuelle Modell der Lebenspartnerschaft nicht im Geringsten abgedeckt ist: die SM-Szene.

Aktuell lebe ich in folgender Situation: ich gehöre einem Meister, der wiederum einem anderen Meister dient, der wiederum einen anderen Leibsklaven hat, daneben aber auch noch andere Sklaven, die ihm unterschiedlich verpflichtet sind. Zum Teil exisitieren Sklavenverträge zwischen diesem Meister und einigen seiner Sklaven. In diesen Verträgen sind ganz unterschiedliche Arten der Bindung geregelt. All diese Bindungen sind über ganz individuell ausgedachte Rituale besiegelt worden und werden über wieder andere Rituale regelmäßig erneuert. Dazu gehören Namensgebungen, Kennzeichnungen, Gemeinsamkeiten in der Lebensführung, etc.

All diese Bindungsformen, die intensiver als gwöhnliche Freundschaften sind, so etwas wie perverse Verwandtschaften also, sind absolut unvereinbar mit dem gängigen Ehemodell, die meisten Verträge wären sogar sittenwidrig. Ich möchte dabei beileibe nicht dafür plädieren, dass am SM der neurotische Homo genesen soll. Ich sehe darin aber ein Argument für die Wichtigkeit, sich um die symbolische Ebene von Zusammengehörigkeit Gedanken zu machen und alternative, pluralere Modelle gegenseitiger Verpflichtung auszudenken, die uns vor der Einsamkeit und Zukunftslosigkeit der schwulen Sub bewahren, ohne uns in das enge Korsett bürgerlicher Ehe und Anständigkeit zu treiben. -- von stift
Yo
Der frühe Vogel: Stift, Liebe ist nicht vergänglich. Sie ist erschütternd haltbar. Begehren ist vergänglich. Wenn man die beiden verwechselt, macht man allerdings bittere Erfahrungen.  
david lepoutre - faches t. 59155 france: je ne comprend pas la langue allemande pouvez vous traduire vos textes en anglais ou francais ?  
Sascha B.: David, c´est pas possible. Etuxx is not our full-time job, we´re sorry. But if you like to correspond with one of our authors, please send a mail to: redaktion@etuxx.com.  
Liebeskummer lohnt sich nicht: Ob Begehren und Liebe wirklich immer so voneinadner trennbar sind...? Begehren erlischt, Liebe ist ewig? So'n Quatsch!  
Dr. Freud: Junger Freund, das Begehren erlischt, wenn die Triebabfuhr stattgefunden hat, kommt dann aber wieder, weil Triebe ewig sind, und sucht sich ggf. ein neues Objekt. Liebe dagegen beruht auf Identifikation, sie geht ins Ich und ins Ich-Ideal. Da kann sie recht lange sitzen und ist schwer wieder loszuwerden... //schmunzel//  
cracy-c: oh, ein love-problem. ;) ey junx: liebe gibt ohne zurückzuerwarten. liebe idealisiert den partner nicht. liebe dient nicht der eigenen verherrlichung. das andere hat mehr mit lust, egoismus, selbstzentriertheit und der hoffnung, dass das innere verlangen von einer anderen person voll gestillt würde, zu tun. maby somebody understands the difference...  
stift: o.k. um die diskussion mal in eine weniger christliche Richtung zu schieben: ich wollte hier mehr über institutionelle Verbindlichkeiten schwuler Beziehungen reden. Mein Argument war: wir brauchen eine Alternative zur Homo-Ehe! Das hat nicht nur mit Gefühl, Geilheit und Romantik zu tun, sondern auch mit sozialer Sicherheit und Fürsorgeverpflichtung, die nicht an Moral oder edle Gesinnung appeliert.  
Sascha B.: Stift, "wir" brauchen KEINE Alternative zur Homo-Ehe! Oder andersherum: es gibt derartig vielfältige Beziehungen zwischen Menschen, die "sozial geschützt" gehörten, dass da einfach kein Anfang und kein Ende (und jedenfalls keine Definition) zu finden ist. Was ist Dein Kriterium für eine sozial, finanziell, rechtlich zu schützende, abzusichernde Beziehung? Und wäre die immer zwischen zwei Menschen, und wenn ja: warum?  
stift: Sascha, die wäre natürlich nichts nur zwischen zwei Menschen. Genau das habe ich ja in meinem Artikel geschireben. Aber gerade solch andersartigen Beziehungen gehören nicht nur offiziell anerkannt, sondern auch geschützt! Du argumentierst ja fast wie die CDU, wenn du sagst: wo sollen wir denn da anfangen! Also alles beim Alten. Im Moment wird aber nur eine ganz traditionelle Form des Zusammenlebens geschützt und alle anderen müssen ganz neoliberal (siehe new c's artikel) ganz alleine schauen, wo sie bleiben.  
Moisel: Wenn ich den Text mal ohne den SM-Kram lese, dann gehts das ja wohl so: man fickt eine zeit lang zusammen, und wenn man dann den kontrolierten Ausstieg schafft, hat man den keim einer sozialen Bindung, die man dann noch pflegen muss.  
Sascha B.: Hier geht es offenbar um die Verrechtlichung sozialer Bindungen! Das interessiert mich nicht! Zerstört die Privilegierung der Ehe! Da bin ich ich sofort dabei! Aber lasst den Scheiss, alles in Paragraphen gefasst sehen zu wollen! Die Alternative ist NICHT: neoliberal vs. totale Bürokratie!  
Moisel: Hoppla. Bezieht sich das jetzt schon auf meinen Beitrag? IAS - Sascha B. already posted. Also hole ich mal weiter aus..  
nu!c: gibt es eigentlich verbindlichkeit jenseits des rechts? ist recht nicht ein zwang, verbindlich zu sein und geht es evtl. auch ohne diesen? und falls, wie?  
nu!c: falls es allerdings keinen zwang geben soll, muss die verbindlichkeit 'gewollt' sein -- und sofort ist die moral/gesinnung/ideologie wieder mit im spiel. das ist wohl eine zwickmühle: entweder 'müssen' oder 'wollen', entweder (ehe)vertrag (bzw. andere verträge, die ihn ersetzen) oder höhere werte. -- was spricht eigentlich gegen eine kombination von kranken- und rentenversicherung. das ist natürlich eher was für unsere wohlhabenden mitschwulen und es ist natürlich individualistisch. aber argumente gegen den individualismus fallen mir gerade nicht viele ein.  
stift: Moisel, du scheinst Ficken und soziale Bindung als Gegensatz zu sehen. Warum? Ich meinte nicht: Ficken verpflichtet zur Bindung. Ficken IST eine Form der Bindung. Je nachdem, welche soziale Bedeutung man dem Ficken zumisst. Bei traditionellen Heteros ist die sehr groß, bei Schwulen dagegen geht sie oft gegen Null.  
stift: Nu!c, da hast du schon Recht. Ist nur die Frage, ob das Recht die einzige Form des Zwangs ist. Es gibt ja auch das "Über-Ich" als eine Fom verinnerlichten Zwangs oder den Markt als Form des Zwangs. Letzterer ist der Zwang, dem sich Schwule besonders gerne auf Sexpartys unterwerfen.  
stift: Das Problem ist, dass "Recht" meistens abstrakt an die Verwaltung und an den Staat delegiert wird, so als ob es keine Instanz der Konfliktregelung dazwischen gäbe. Ihr seid mir ja so perfekte Staatsbürger! Der Staat in euren Köpfen, wa?  
Michel Foucault: Soweit ich zurückdenken kann, hieß für mich Lust auf Typen haben immer schon Lust auf Beziehungen mit Typen haben. Das war mir stets wichtig; und zwar nicht unbedingt in Form einer Zweierbeziehung, sondern als eine Frage der Existenz: wie ist es Männern möglich, zusammen zu sein und zusammen zu leben, ihre Zeit und ihre Mahlzeiten miteinander zu teilen, ihr Zimmer und ihre freie Zeit, ihren Kummer, ihr Wissen und ihr Vertrauen? Was bedeutet es denn, unter Männern zu sein, "entblößt" und außerhalb der Beziehungen von Beruf und erzwungener Kameradschaft? Es ist ein Begehren und eine Unruhe, ein unheimliches Begehren, das viele spüren.  
Michel Foucault: Es geht eher um die homosexuelle Lebensweise als um den Geschlechtsakt selbst.Wie kann man über sexuelle Praktiken zu einer Beziehungsform gelangen? Ist es möglich, eine homosexuelle Lebensweise zu entwickeln? Das Problem der Homosexualität entwickelt sich mehr und mehr zu einem Problem der Freundschaft.  
eine genaue: michel, da du ja schon tot bist, müsstest du vielleicht deine zitate nachweisen... ;-)  
Michel Foucault: Genaue, das hab ich innem Interview mit ner französischen Schwulenzeitschrift (Gai Pied)verzapft, die WestberlinerInnen habens dann auf Deutsch herausgebracht: Von der Freundschaft als Lebensweise, Westberlin: Merve, 1985,85-94.Da war ich allerdings schon tot.  
Zuerst kommt ficken.: Und dann kommt vielleicht die Bindung. Jedenfalls bei mir und den Leuten, die ich kenne. Und wenn es eine Freundschaft wird, dann nur, wenn die sexuelle Seite ausgereizt ist.  
Und wenn sie nicht gefickt haben: dann werden sie auch keine Freunde. Die Freundschaft, die Bindung, die lebt doch von dem Moment, in dem wir ohne Mackerpose nebeneinander gelegen haben. Nur deshalb halte ich auch Jahre später noch zu jemandem  
der sich Scheisse benimmt: Weil ich weiss, der ist eigentlich auch anders. Das kann kein Ehevertrag. Und auch kein Sklavenvertrag. Freundschaft zu brechen ist auch anstrengender, als einen Vetrag zu brechen.  
Das wollte ich noch sagen: Moisel  
Stjopa: Was ich merkwürdig finde ist, dass es hier von Anfang an immer so einen komischen Dualismus gab. Erst den von Liebe und Begehren, jetzt den von Freundschaft und Sex. Und immer den von Dauerhaftigkeit und Flüchtigkeit. Ich habe den Eindruck, das hier nur eine Lebenspraxis verallgemeinert wird. Was noch durchscheint ist, dass immer das eine ersehnt und das andere abgewertet wird.  
Stjopa: Ich bin mir nicht sicher, aber mein Leben läuft anders. Jedenfalls Freundschaften mit Leuten, mit denen würde ich nie auch nur ohne Mackerpose nebeneinaderliegen. Und Freundschaften in denen immer das Sexuelle mitschwingt, obwohl beide Seiten wissen, dass es nie stattfinden wird, und Freunde, mit denen ich immer mal wieder gern, wenn auch selten ficke, und Posen sowieso, auch die von Mackern.  
Stjopa: Kennt ihr dieses Schlüsselrecht? Ich hab mit meinen Beziehungen irgenwann immer den Schlüssel der Wohnung getauscht. Wenn dann der Schlüssel auf den Tisch gepackt wurde, war das die Trennung. Ebenso wie Schlüsseltauschen würde ich auch gern andere Verträge eingehen, vor allem was zum Beispiel Auskunftsrecht beim Arzt anbelangt und so. Dazu brauchs aber dann schon einer juristischen Möglichkeit. Aber vorher gehört die Ehe abgeschafft, da hat Sascha schon recht.  
Stjopa: Übrigens kann die Ehe und die damit verbundenen Privilegien auch durchaus emanzipatorisch im wörtlichen Sinne genutzt werden. Auch wenn das nicht ganz im Sinne des Gesetzgebers ist. grin!  
Schlampen-Lore: Da spricht ein verheirateter Mann, wa? Stjopa, ich muss dir Recht geben: mich nervt auch die extrem lustfeindliche Haltung und Mackerfilosofie die in den namenlosen Statements rüberkam. Sex hat nur was mit Treib, Sich-Verstellen, Verantowrtungslosigkeit und Egoismus zu tun. Ihr Armen, was hab ihr für ein trauriges Verhältnis zu eurer körperlichen Lust. Und wie wenig verlasst ihr euch auf die Gefühle, die ihr beim Sex habt! Das ist doch im Kern homofob: mit echten Kumpeln darf es keine schmutzige Sexualität geben, dazu sind die Schlampen da.  
o weh...: "Ihr Armen, was hab ihr für ein trauriges Verhältnis zu eurer körperlichen Lust."  
Stjopa: Lore, jetzt hast Du die anderen Diskutantinnen vergrault. Ich finde, dass hier über die eigenen Utopien von Lust und den Grenzen und den Verpflichtungen geredet werden sollte. Natürlich bin ich immer dafür jede Moral zu untergraben. Aber Lustfeindlichkeit ist ein Totschlagsargument. Ich finde es sehr schade, dass die Diskussion hier nicht so recht in Gang gekommen ist. Vielleicht hast Du alle gleich mit Deinem Sklavending so verstört?  
Lore: Das sklavending ist vom stift, nicht von mir Stjopa. Werde jetzt aber bitte nicht SM-feindlich. Wenn der stift aus seinem Leben erzählt, ist es nicht seine Schuld, wenn das Leute vergrault. Wenn ich mit meinen Statements jemanden vergrault haben sollte, tut mir das Leid, aber ich fand ja gerade die Abwertung von "Ficken" so nervig. Damit wollte ich ja gerade nicht irgendwelche Utopien eindämmen. Bitte, bitte nicht.  
Stjopa: Tut mir leid.  
Krzysztof: Mein Modell von Beziehungen ist ein kommunikatives. Ich kann mit Leuten kommunizieren, indem ich mit ihnen tiefsinnige Gespräche führe, Sport treibe, wandere, Sex habe, musiziere, konsumiere oder politisch tätig bin (im weitesten Sinne).  
Krzysztof: Bindungen hat für mich eher was mit "Ver-bind-lichkeit" zu tun. Das heißt ständige Absprache & Rücksichtnahme. Das ermöglicht eine sehr intensive Auseinandersetzung vor allem auch mit der eigenen Persönlichkeit. Das schafft neue Energien.  
Krzysztof: Weil man ständig einen Spiegel vorgehalten bekommt. Dadurch hat man die Chance, eigene Blockaden zu durchbrechen. Aber notwendig ist dafür Vertrauen.  
Krzysztof: Darein, daß die eigene Persönlichkeit incl. Schwächen, Ängste etc. akzeptiert wird. Sowas muß aber ständig kommuniziert werden. So eine Beziehung kann man nicht einfach eingehen oder auflösen.  
Krzysztof: Vor allem hat sie aber nichts mit einem rechtlichen Institut zu tun. Eine schwule Ehe ist also Quatsch. Ansonsten bin ich aber auch Stjopas Meinung, was Verträge bzgl. Auskunftsrechts etc. angeht. Aber das muß ja nicht nur die "Bindungsbeziehung" betreffen, sondern ich möchte solche Verträge auch mit anderen Freunden abschließen.  
Stjopa: Das hört sich ja mal vernünftig an. Danke Krzysztof.  
Stjopa: Wie ist das mit dem Vertrauen, und worauf baut das? Wie werden Verpflichtungen hergestellt und Abhängigkeiten vermieden? Muß man dazu der selben "Religion" angehören?  
Krzysztof: Fragen über Fragen. Wer weiß eine Antwort? Vorschläge: Vertrauen baut darauf auf, daß es nicht mißbraucht wird. Verpflichtungen werden durch den eigenen Willen hergestellt. Abhängigkeiten entstehen durch Ängste, lassen sich nicht vermeiden, aber durch Akzeptieren verkleinern. "Religion"? Wahrscheinlich schon, in Anführungszeichen, sonst findet man sich wohl nicht.