An eine Umwandlung
habe ich nie gedacht
von Hakan Tas [Übersetzung: Koray Ali Günay]


"Pechschwarz war es in dem Tanklaster, in den wir zu acht eingestiegen waren, als wir in Edirne in der Westtürkei losfuhren. Ein neues Leben, fern von Armut… Wegen eines kleinen Bisschens Glück bin ich hergekommen, Hakan. " Ich hatte Tahsin im Abschiebegefängnis in Berlin-Köpenick kennen gelernt, wo er sich nach seiner Festnahme mit Amnesty International in Verbindung gesetzt hatte, um wegen seiner Homosexualität Asyl zu suchen. Er hatte darum gebeten, mit einem türkeistämmigen Schwulen sprechen zu können. Nach der Kontrolle am Eingang wartete ich im Besucherbereich auf Tahsin, der dann mit einem Wärter kam und auf der anderen Seite der dicken Glasscheibe Platz nahm.

"Danke, dass du gekommen bist", sagte er zum Anfang. "Ich kam mit großen Hoffnungen her, aber die Versprechungen, die ich bekam, wurden nicht eingehalten - und jetzt weiß ich nicht, was ich tun soll. Es ist schwierig als Schwuler in Ostanatolien; du musst dich permanent verstecken und denkst, dass jemand es herausfinden wird… Ich komme aus Urfa und bin Kurde. Auch wenn man dort durchaus versteckt leben kann, wirst du eben nie akzeptiert. Wer weiß, wenn es meine Familie herausgefunden hätte, würde ich heute vielleicht in der Hölle nach Asyl suchen und nicht hier. Aber ich denke, meine Reise, die mich 10.000 Euro gekostet hat, ist hier sowieso zu Ende. Aber immerhin konnte ich mit einem Schwulen aus der Türkei reden. Gestern war eine Anwältin hier, die meinte, es wäre sehr schwer, wegen der sexuellen Orientierung Asyl zu bekommen, denn Homosexuelle werden in der Türkei offiziell nicht verfolgt. Da ist nicht viel zu machen, glaube ich, ich werde wohl zurück nach Urfa müssen, Hakan", sagte er und blickte mir in die Augen.

Ich konnte ihm an dem Tag nicht so große Hoffnungen machen, aber genau sechs Monate später traf ich ihn auf einer schwul- lesbischen Party in Berlin wieder, wo er gleich ganz aufgeregt zu mir kam. "Wir sollten uns also wieder sehen", sagte er und zeigte mir seinen Ehering. "Diesmal werden sie mich nicht zurückschicken können", sagte er und wir verabredeten uns für den Tag darauf.

Ich war etwa 10 Minuten vor der Zeit in dem Café und wartete, als punkt zwölf eine sehr hübsche und gut geschminkte Frau hereinkam. Da sie mich direkt ansah, ging mir wieder einmal auf, wie stark ich auf Frauen wirkte. Genau bis zu dem Zeitpunkt, bis sie zu mir kam und mich grüßte. "Ich weiß, dass du mich nicht erkannt hast. Manchmal erkenne ich mich selbst nicht, wenn ich in den Spiegel sehe. Aber weißt du, schon als Kind zog ich gerne Frauenkleider an und schminkte mich. Aber an eine Geschlechtsumwandlung habe ich nie gedacht; es reicht mir, gelegentlich Frauenkleider zu tragen. Mein Partner würde es eh nicht verkraften. Ich habe mich oft gefragt, vor allem, wenn ich einsam war, ob die Endstation eines Schwulen die Geschlechtsumwandlung ist, aber heute nehme ich mich an wie ich bin. Aber komischerweise habe ich eine größere Wirkung auf Männer, wenn ich als Frau ausgehe - und das gefällt mir sogar!"

An das Pfeifen, als wir gemeinsam aus dem Café gingen, erinnere ich mich noch heute…