Kartophphølkrankheiten II
Was so eine richtige etuxx-Redaktion ist, ... . Da schreibt man ja nicht nur über Fußball oder Cuba, sondern regt sich auch mal über die Antideutschen oder Gigi auf, oder aber: Manchmal ziehen auch Redakteure ganz profan um. Nach der Primärgruppentheorie ist man dann nicht nur als Tippse gefragt, nein auch noch als ganzer Möbelpacker. Und, kennen Sie das? Man findet Sachen im fremden Müll, die man selbst schon vergessen hatte. Und solche Zufälle bringen diesen verlorengegangen Stücken quasi ein sofortiges Come-back. So geschehen auch mit dem folgenden Artikel, seinerzeit erschienen in der Zeitschrift Tuntentinte Nr. 14., gefunden beim Umzug von xxx (wollen wir mal schön anonym bleiben, hier im Internet.) (Robert M.)

also jetzt: Kartophphølkrankheiten II
oder: Die Geschichte der Sexualität unter besonderer Berücksichtigung der christlichen Religion

Von Leonore Luminosa

Vorbemerkung
Als mir das Institut den Auftrag erteilte, einen Artikel zum Thema "Die Geschichte der Sexualität unter besonderer Berücksichtigung der christlichen Religion" zu verfassen, und zwar bis vorgestern und höchstens eine Seite, hatte ich ein Problem. Nicht nur, weil ich annahm, die Geschichte der Sexualität sei doch wohl etwas länger als eine Seite. Hinzu kam, dass ich mich weder als kompetente Historikerin noch als kompetente Christin fühle. Was das Christentum betrifft, so befinde ich mich immerhin in der Situation, Angehörige der evangelisch-lutherischen Konfession zu sein. Ich bin also nicht, wie allgemein üblich, in meiner Sturm&Drangphase, also im zarten Alter von siebzehn oder achtzehn, aus der Kirche ausgetreten. Der Grund für dieses Nichtaustreten liegt in meinem angeborenen Hang zum Nonkonformismus.

Um nun die christliche Kirche gleich im Vorfeld dieses Artikels besonders zu berücksichtigen, mag ich hier gerne meine Gründe für den Verbleib in der Kirche anführen. Mich ergriff nämlich seit jeher ein ausgesprochenes Missbehagen, was laut inszenierte und, wenn man so will, aus purem Gesinnungsfetischismus erfolgende Kirchenaustritte betrifft, wobei es ja viele gibt, die diesen Umstand ihres Kirchenaustritts gerne bei jeder Gelegenheit vor aller Welt, und das heißt: vor allen, die es in der Regel gar nicht interessiert, hinausposaunen.

Es ist nämlich so, dass noch zu meiner Zeit als Absolvent der mehrfach reformierten Oberstufe eine Freundin von mir, welche absolut atheistisch gesonnen war, und welche ich, möglicherweise einer flüchtigen Passion wegen, seinerzeit zu einer Simone de Beauvoir stilisierte, dass diese Freundin also eines schönen Tages mit wehenden Fahnen oder mit Bausch und Bogen, wie man so sagt, aus der römisch-katholischen Kirche austrat. Sie warf der römisch-katholischen Kirche also gleichsam den Katechismus vor die Füße, nur, um einige Jahre später vor dem Erzbischof des Bistums Hildesheim im Staub zu robben, damit er sie nur ja in den Schoß derselben römisch-katholischen Kirche wieder hineinkriechen lasse, um ihr auf diesem Wege eine kirchliche Trauung zu ermöglichen. Damit nicht genug.

Es ging nämlich um die Trauung mit einem Juristen, dessen Bruder ein glühender Jesuit gewesen ist und überdies, wie ich zumindest noch heute behaupte, Mitglied der faschistisch angehauchten katholischen Sekte namens opus dei. Der Erzbischof ließ sich seinerzeit übrigens erweichen, und das musste einmal gesagt werden. Der jesuitische Bruder soll im Verlauf der schließlich tatsächlich stattgehabten römisch-katholischen Trauung eine Ansprache gehalten haben, in der er mit donnernden Worten die Tugenden der christlichen Ehe und die christliche Ehe als Tugend pries, wobei er das bei dieser Trauung anwesende uneheliche Kind, welches schon zuvor aus der Verbindung seines Bruders mit meiner Freundin hervorgegangen war, in seinem jesuitischen Enthusiasmus geflissentlich übersah, das Kind also als Tatsache schlichtweg ausstrich. So enden unsere lieben Frauen zur schönen Aussicht trotz bester Absicht doch immer wieder als verlorene und verlogene Töchter einer noch verloreneren und verlogeneren Religion, und das halte ich wiederum für ausgesprochen banal und alltäglich, wie überhaupt - was hier eigentlich gesagt werden sollte - der ganze modische Kirchenhass auch ausgesprochen banal ist, weil er so billig zu haben ist.

Zweite Vorbemerkung
Wenn ich versuche, die Geschichte der Sexualität auf ihre Quintessenz zu reduzieren, so bleibt am Ende übrig, daß alle unsere Vorstellungen die Sexualität betreffend grundsätzlich etwas Mythisches an sich haben. Dies umso mehr, als der Begriff der Sexualität und die Vorstellungen, die wir damit verbinden, historisch betrachtet eine relativ junge "Erfindung" sind. Die Erfindung der Sexualität ist zugleich die Erfindung der Unterdrückung der Sexualität, und zwar derart, dass Sexualität gar nicht anders vorstellbar ist denn im Horizont ihrer Unterdrücktheit. (Dieser Gedanke stammt natürlich nicht von mir, sondern von jemand anderem.)

Es verhält sich mit der Sexualität ähnlich wie mit dem Kreislauf, über den ein belgischer Freund von mir einmal sagte: "Alle reden über Kreislaufprobleme. Meine Tante hatte nie Kreislaufprobleme. Sie wusste nicht mal, dass sie einen Kreislauf hat." Genauso lässt sich der Mythos Sexualität beschreiben. Wann immer von Sexualität die Rede ist, wird über einen Mangel geredet, über Verbote, Beschränkungen, Reglementierungen, sowie, davon abgeleitet, über die Notwendigkeit der "Befreiung" der Sexualität. Und diese Notwendigkeit wird gerne im Sinne eines moralischen Gebotes verstanden und als solches zum Identifikationsmuster einer kritischenkritischenkritischen Einstellung, die sowohl auf politischer wie auf sexueller Ebene als Tabuverletzung ausagiert wird. Das Befreiungsgebot also als Gegengebot gegen die identitätsmanipulativen Zwänge sogenannter Herrschaftsmechanismen, die Institutionen wie der Kirche oder dem Staat oder auch der kapitalistischen Gesellschaftsordnung zugeschrieben werden, womit hier wieder das leidige Problem des reflexhaften Nonkonformismus ins Spiel kommt, der natürlich nichts anderes ist als ein Konformismus unter negativem Vorzeichen. Hierzu habe ich aber das Wesentliche bereits in der letzten Ausgabe der Tuntentinte unter dem Titel Kartophphølkrankheiten I gesagt, so dass ich Einzelheiten an dieser Stelle auslasse.

Nun existieren die Phänomene, die wir heute als Sexualität und somit als problematisch auffassen, nicht erst, seitdem wir angefangen haben, in der Art über sie zu denken und nachzudenken, wie wir dies heute tun. Insofern aber von der Geschichte der Sexualität die Rede ist, müsste genauer über die Geschichte der Mythen der Sexualität oder noch genauer über die Geschichte der Mythen dessen, was wir heute als Sexualität verstehen, geredet werden. Weil mir das zu kompliziert wird, schreibe ich lieber noch ein wenig über die Mythen im allgemeinen, also über Mythen, die mit dem Mythos von der Sexualität in Verbindung stehen, sozusagen über die Untermythen oder Detailmythen des Sexualitätsmythos. Da finde ich drei Mythen besonders interessant, die ich bezeichnen möchte als Mythos vom idealen Sex, als Mythos von der Liebe und als Mythos vom Mythos.
Der Mythos vom idealen Sex
Frage an Frau Ludmilla Mittelstedt senior: Was erwartet man denn davon, wenn man beim Sex immer wieder neue Optionen ausprobiert? Ist das nicht die permanente Unzufriedenheit? Was stimmt da nicht? Antwort: Tatsächlich sucht doch jede nach dem idealen Sex. Gut ist hier nicht gut genug. Der Sex lebt doch von der Mystifikation. Wenn es keine Tabus gäbe oder das Gefühl, etwas Riskantes oder Ungewohntes zu tun, dann könnte Sex gar nicht stattfinden. Lust steht immer in einem Wechselverhältnis zum Verbotenen. Indem wir neue Sexpraktiken ausprobieren, kommunizieren wir unsere Traumata und Ängste. Das zeigt sich besonders deutlich beim S/M. Das Dilemma dabei ist eigentlich unlösbar. Gerade bei ausgefallenen Sexpraktiken ist es ja so, dass die Angst Auslöser der Lust ist und deshalb besonders lustvoll mit Personen, die man nicht kennt. Man möchte sich ja dem Unbekannten ausliefern. Andererseits bedarf es aber auch eines großen Vertrauens, um dann beim Sex was zu entwickeln, das beide wollen, womit beide zufrieden sind. Die Tabus müssen schließlich gemeinsam überschritten werden. Erst dadurch hat man die Möglichkeit, den Kopf beim Sex völlig auszuschalten. Wobei, das ist klar, Sex nur im Kopf stattfindet.

Für die Gestaltung der Lust bedarf es Spielregeln und diese sind Regeln, die durch die Gesellschaft vorgegeben werden, wenn auch oft negativ. Die Unterdrückung der Sexualität - als Unterdrückung bestimmter Sexualpraktiken - ist die notwendige Voraussetzung für eine eigene Kultur der Lüste. Lust ist dadurch immer mit einem Gefühl der Subversion verbunden. Die Vorstellung, dass es zwischen Sex und Macht ein Abhängigkeitsverhältnis gebe, ist ein Produkt der modernen Kultur. Nur durch die Verknüpfung der Sexualität mit dem Diskurs der Macht entsteht wiederum der besondere Stellenwert, der dem Sex heute zugemessen wird. Perversion, als bewusst gegen das gesellschaftskonforme Modell der Sexualität ausgelebte Lust, ist unter dieser Voraussetzung auch immer eine subversive Handlung. Die Entpolitisierung, die wir im letzten Jahrzehnt beobachten konnten, wäre dann nur eine Übertragung subversiven Handelns von der politischen auf eine mehr persönliche Ebene. Man kann diese Entwicklung aus zwei Blickwinkeln sehen. Entweder man sieht darin einen Rückzug oder eine Reduktion aufs Private oder aber die Überführung des Kampfes um gesellschaftliche Veränderung auf eine andere Ebene, wobei Subversion ja immer auf beides zielt: auf das politische System und auf das System der Unterdrückung der Lüste.

Negativ bewertet beschränkt sich das Ausleben subversiver Lust heute tatsächlich nur noch auf den Bereich der Sexualität. Man schafft sich eine gewisse Autonomie an Orten, wo man Lust in scheinbarer Freiheit von gesellschaftlichen Tabus ausleben kann. Dabei übersieht man dann aber die zwangsläufige Verknüpftheit von Macht und Subversion, die Zwangsläufigkeit, die darin besteht, dass Autonomie nur in Abhängigkeit von bestimmten Machtstrukturen entsteht, dass Autonomie eigentlich heißt: die herrschenden Machtstrukturen negativ zu reproduzieren. Oder aber, positiv bewertet, bedeutet gerade das Spiel mit diesen Strukturen eine Subversion, die über dieses gesellschaftliche Reiz-Reaktionsschema hinausgeht und die Menschen wirklich persönlich freier, individueller und damit unabhängiger von gesellschaftlichen Zwangsmechanismen macht.

Die schwule Kultur spielte, was die persönliche Freiheit oder negativ gesagt: Entideologisierung anbetrifft, sicherlich eine Vorreiterrolle. Es sah so aus, als würde gerade ihre gesellschaftliche Reduktion auf eine besondere, als pervers gebrandmarkte Form der Sexualität, den Schwulen erstens zu einem schöneren, also perverseren Sex und zweitens zu mehr gesellschaftlicher Freiheit verhelfen. Wenn man sich allerdings heute ansieht, was von der schwulen Bewegung übrig geblieben ist und was die schwule Kultur gesellschaftlich bewegt hat, zeigt sich doch, dass diese positive Bewertung nicht möglich ist. Die Reduktion einer sozialen Gruppe auf ihre Sexualität hatte zur Folge, dass diese den gesellschaftliche Zwang in der Weise subvertierte, dass sie Sex zu ihrem positiven Lebensinhalt umdefinierte und damit den Sex selbst zum Fetisch erhob. Dieser Fetisch lebt aber von den Zwangsmechanismen, das heißt, mit dem Verschwinden der Zwänge verschwindet der Fetisch, verschwindet die Lust und verschwindet auch die kollektive Identität.

Der Fetisch Sex ist ohne den Fetisch Macht nicht zu haben. Im übrigen kann man ja die enge Verknüpfung beider Elemente, also von Sex und Macht, am Beispiel vieler gesellschaftlicher Konflikte beobachten, wo bestimmte Kollektive unterdrückt werden, nicht nur im Falle der Schwulen. Ich denke da etwa auch an rassistische Diskurse, in denen sich auf der einen Seite die Angst vor dem Fremden mit dem Gefühl unterlegener Potenz paart und auf der anderen Seite die Unterdrücktheit durch besonderes Potenzgehabe kompensiert wird. Oder man sieht es so, daß Politik nur ein zweites Spielfeld darstellt, auf dem sich die Lust an der Subversion auslebt, was ja immer dann zu beobachten ist, wenn politisches und privates Wollen in Konflikte geraten, woran schon viele Bewegungen gescheitert sind, oder aber, wenn im positiveren Fall politische Subversion als ein Ausagieren von Lüsten betrieben wird. Ausleben von Lüsten und Krampf, ja, Depression, liegen aber gerade im politischen Bereich sehr eng beieinander. Letztlich ist politische Subversion wohl auch immer die Lust am Scheitern, auch eine Perpetuierung permanenter Unzufriedenheit. Hinter subversiver Politik verbirgt sich nur ein sublimiertes Verlangen nach Perversion.

Der Mythos von der Liebe
Die Allianz von Macht und Sexualität ist zugleich die Allianz von Macht und Liebe. Liebe ist eine gesellschaftliche Strategie, die es ermöglicht, eine Demarkationslinie zwischen gewollten und ungewollten sexuellen Praktiken zu ziehen. Als gesellschaftlich gewollte Praxis erscheint jene Sexualität, der es nicht ausschließlich um die Befriedigung der Lüste geht, sondern die überdies durch höhere Gefühle geadelt wird. Liebe verschlüsselt aber nur die vielfältigen und jeweils besonderen gesellschaftlichen Interessen, die eine bestimmte Art der Sexualität als wünschenswert erscheinen lassen, andere nicht.

Spätestens in ihrer bürgerlich-romantischen Form wird die Tatsache endgültig verschleiert, dass Liebe eine Sache der Definition bzw. eine Frage gesellschaftlicher Konvention ist. Der säkulare Staat übernimmt und verschärft in diesem Punkt das christliche Glaubensdogma. Indem die selbstlose Liebe zum Dogma der christlichen Religion wurde, wurde es potentiell möglich, die strategische Verknüpftheit von Liebe und Sexualität zugunsten einer Polarität aufzuheben, was dann auch im Lauf der Geschichte geschehen ist. Glauben und Alltagsbewusstsein sind aber noch unterscheidbare Bewusstseinsformen. Mit der Übernahme des Liebesdogmas in eine auf Privateigentum basierende Gesellschaftsform ist Liebe jedoch nicht mehr ein Gegenstand des Glaubens, sie verknüpft sich vielmehr unlösbar mit der Identität des Individuums, das sich in der Liebe der Echtheit seines individuellen Seins versichert.

Die Mechanismen von Werben und Begehren, von Minnedienst und Brautwahl, sind gesellschaftlich geregelte Verfahrensweisen, durch die das System der Lüste konventionalisiert und domestiziert wird. "Macht", insofern dies die Mechanismen beschreibt, in der sich die gesellschaftlichen Normen durchsetzen, wirkt in diesem System subtil, da eine Befriedigung der Lüste nur erreichbar ist, wenn sie den gesellschaftlichen Konventionen folgt. Mehr noch: Je mehr die Sexualität zum Fetisch gerinnt, desto stärker wird auch die Bedeutung der Liebe, die zum Komplement der Sexualität erklärt wird. Erfüllung, Wahrhaftigkeit und Glück sind Ideale, die nur in der Kombination von Liebe und Sexualität vorstellbar werden. Das Individuum kann schließlich Individualität nur noch zelebrieren in Kombination mit einer Gefühlsechtheit, die die Sexualität allein nicht gewähren kann. In der Liebe auratisiert das Bürgertum die Sexualität. Das bürgerliche Liebesdogma trägt dazu bei, Lust gerade aus der Unerfülltheit der Lust zu beziehen, wodurch erst die Sexualität selbst bedeutsam und problematisch werden kann. An die Stelle des komplementären Paares Liebe und Sexualität tritt der Gegensatz von Liebe und Perversion. Gerade weil in der Liebe das Ideal der Individualität und damit die gesellschaftliche Idealität des Privaten gelebt wird, wird Perversion zum Ideal der befreiten Sexualität, die dann gleichbedeutend wäre mit antigesellschaftlicher Identität, negativer Identität. Den bürgerlichen Liebesdiskurs aufzubrechen würde jedoch heißen, den Fetisch Identität zu überwinden. Womit einherginge: Verschwinden der Liebe, Verschwinden der Perversion, Verschwinden des Politischen.

Der Mythos vom Mythos
Es gibt keine Befreiung aus dem Komplex Gesellschaft (Macht), Identität und Sexualität. Von einem Mythos der Sexualität oder der Liebe zu sprechen, ist also im Grunde genommen falsch, weil der Mythos genau die konkrete Art, wie wir unsere Lüste leben und uns in unserer Sexualität inszenieren, beschreibt, also die Realität. Mythisch wäre vielmehr die Vorstellung, wir könnten uns kraft eigener Individualität entscheiden, wie wir auf gesellschaftliche Zwänge reagieren. Aber auch dieser Mythos der Befreiung gehört zu den realen Formen, in denen wir gegenwärtig den Fetisch Sexualität zelebrieren. Mythos ist die Sprache, die uns allein zur Verfügung steht, unsere Realität zu begreifen, die aber selbst Produkt dieser Realität ist.

Nachbemerkung
Dass Worte wie "schwul" oder "homosexuell" in diesem Text eher spärlich vorkommen, ist beabsichtigt und programmatisch und versteht sich von selbst. Die schwule Sexualität ist nur die gesteigerte Form, in der der Mythos der Sexualität gelebt wird. Gerade indem Homosexualität einerseits als besonders problematisch erlebt wird, andererseits als ein besonders umgreifendes, die ganze Persönlichkeit einbeziehendes, identitätsstiftendes Persönlichkeitsschema wirkt, verfestigt sich in der Homosexualität in besonders hohem Maße der mythische Diskurs der Sexualität (diese Ausdrucksweise ist hier leider nicht mehr zu vermeiden). Solange Homosexualität überhaupt von Bedeutung ist, sowohl als individuelles Identifikationsschema als auch als soziales Phänomen, wird der Faden des Befreiungsklischees weitergesponnen und damit die problematische Sexualität perpetuiert. Damit bestreite ich nicht, dass diese Effekte der Überidentifikation gesellschaftliche Ursachen haben und nur gesellschaftlich lösbar sind.