OHNE KNÜPPEL GEGEN NAZIS
Dieses Dokument wird noch geschrieben! Es soll möglichst einfache Eingreifmöglichkeiten aufzeigen, die Deine Gesundheit schützen. Patentrezepte gibt es dabei nicht, aber das gilt für beide Seiten. Auch für die Angreifer kann absolut alles schieflaufen - und das ist unser Ziel. Diesen Text diskutieren
w = hier gibt es widersprüchliche Ratschläge
g = das ist ein geprüfter Ratschlag
e = das haben namentlich bekannte erfolgreich ausprobiert

Wie reagiere ich auf rechte Sprüche?

Klarstellung (einfach, ungefährlich)
Nahezu alle Stammtischparolen arbeiten mit Verallgemeinerungen. "Die Ausländer", "die Juden", "die Zigeuner", "die Schwulen", aber auch "die Nazis", "die Amerikaner". Für jede Behauptung lässt sich also leicht ein Gegenbeispiel finden. Dieses Beispiel wird am besten wie eine Ergänzung vorgetragen. So entziehst Du der Parole ihre Beweiskraft, ohne sie diskutieren zu müssen.
"Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg!"
"Aber Ausländer haben in Deutschland auch 570 000 Arbeitsplätze geschaffen."

Ablehnung (einfach, ungefährlich)
Nicht immer hast Du Lust, Dich mit rechtem Gedankengut zu beschäftigen. Dann kannst Du Deine Abscheu zum Ausdruck bringen. Wirkt am besten, wenn es kurz und knackig kommt, und ein Satz über Dich selbst ist. Dem kann nämlich niemand widersprechen. Lass Dich danach auf keine Diskussion ein, sondern bleibe bei deinem verbalisierten Ekel. Wenn dein Gegenüber dich nervt, kannst du ohne Gesichtsverlust gehen (s.a.'Schlagen en passant').(e)
"Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg!"
"Ich mag keine Naziparolen!" / "Von Simplifizierungen wird mir immer schlecht!"

Hohn&Spott (anspruchsvoll)
Nichts widerspricht der rechten Selbsteinschätzung mehr als das Bild einer Witzfigur. Dabei steckt die rechte Welt voller Widersprüche - vom den gerühmten deutschen Soldaten, die ihre Kriege ständig verlieren, über die arischen Rasseideale, denen kaum ein "Doitscher" entspricht, bis zur Vorliebe für "undeutsche" Musik und "entartete" Kultur. Deine Möglichkeiten reichen vom spöttischen Lächeln bis zum offenen sich-lustig-machen. Schätze aber vorher unbedingt ab, wo die Gewaltschwelle liegt! Den schmalen Grad zwischen Hohn und Provokation musst Du kennen, wenn Du keinen Schaden nehmen willst. Ziele dabei immer auf die Ideologie, nicht auf die Person. Hier bietet sich wieder das 'schlagen en passant' an.

Diskussion (sehr schwierig, ungefährlich)
Mit Argumenten gegen Parolen zu kämpfen, erfordert neben fundiertem Wissen viel Körperbeherrschung und stimmliches Können. Als Faustregel gilt: lass Dich vor Publikum, und dazu gehört oft schon ein U-Bahn-Wagen, auf keine Diskussion ein. Geschulte Nazikader brauchen, im Gegensatz zu Dir, auf Logik, Wahrheit, oder Schlüssigkeit ihrer Argumente keine Rücksicht zu nehmen. Sie benutzen Dich nur als Entschuldigung, um noch mehr rechte Parolen abzulassen. Und wenn Du deinerseits Parolen verwendest, erfüllst Du diese Funktion noch besser. (w)
Am grössten sind Deine Chancen mit dieser Technik in nichtöffentlichen Räumen (Familie, Sport, Kneipenrunde...) Entspannt, nicht aus der Ruhe zu bringen, und eine winzige Spur gelangweilt solltest Du wirken. Bewährt haben sich:
- Logik und direktes Nachfragen
- eine ruhige, entspannte Stimme
- dabei eine offene, zurückgelehnte Körperhaltung
- eine Argumentationslinie zu Ende abhandeln, ohne sich auf das Hin und Her von Parolen einzulassen
- herausfinden, ob jemand persönlich betroffen ist von dem was er behauptet

Ein kleiner Quiz:
"In welcher deutschen Grosstadt leben die meisten Ausländer?"
"In Frankfurt leben 30 Prozent. Dann kommen München, Köln, und Hamburg. Schlusslicht ist Berlin mit 12 Prozent."
"Warum leben gerade in Frankfurt soviele Ausländer?"
"Weil Frankfurt der wichtigste Finanzplatz Europas ist."
"Und warum ist Berlin die bankrotteste Stadt Europas?"
"Keine Ahnung. Zu wenig Ausländer?"

Starter-Set Argumente:
"Es gibt 10 Millionen Deutsche, die in anderen Ländern leben, teilweise seit Generationen. Wir freuen uns, wenn sie noch deutsch sprechen. Warum sollen Türken hier kein türkisch sprechen?"
"Es gibt eine deutsche Feuerwehr in Spanien, deutsche Imobilienschutzvereine in Amerika, deutsche Tierschutzvereine in Italien. Warum sollen Ausländer hier keine Vereine gründen?"
"Es gibt in der Hälfte aller Länder der Welt deutsche Kirchengemeinden. Warum soll es hier keine Moscheen geben?"


Du bist Zeuge einer bedrohlichen Situation Folge Deinem Gefühl! Tu, was am besten zu Dir passt, denn darin bist Du wahrscheinlich gut.

Aktiv werden
Ein einziger Schritt, ein kurzes Ansprechen, ein herausgeholtes, noch nicht benutztes Handy, kann die Situation verändern und andere anregen, ihrerseits einzugreifen. Gewalttäter lassen umso eher von ihrem Vorhaben ab, je mehr sie fürchten, wiedererkannt zu werden.

Stellung beziehen
Stell Dich nicht zwischen den Angreifer und den Bedrohten, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Besser ist es, hinter oder neben dem Angreifer zu stehen, so dass dieser sich in verschiedene Richtungen orientieren muss.(w)

Einmischen
Jetzt musst Du Dich entscheiden, ob Du deeskalieren oder Position beziehen willst. Das hängt von der Situation, dem Ort, aber auch von Deiner Laune ab. Triff diese Entscheidung jetzt und bleib dabei.

Position beziehen
Mach eine klare Ansage, und halte Dich dran. "Ich lasse nicht zu, daß Sie den Mann beleidigen. Wenn sie das nochmal machen, rufe ich die Polizei." (e)

Gegenmacht aufbauen
Als Zeuge einer andauernden Provokation kannst Du aufstehen und anfangen "Hört auf!" zu sagen und das rythmisch wiederholen. Kostet Überwindung, aber der Rythmus ist verlockend, und wenn andere einsteigen, kehrt sich plötzlich die Überlegenheitssituation für den Angreifer um.

Benennen
Täter fürchten, wiedererkannt zu werden. Sprich sie auf ihr Äusseres an. Das spaltet ausserdem Angreifer, die in Gruppen auftreten. "Sie mit der schmalen Nase und den wulstigen Augenbrauen! Ich erkenne Sie wieder! Hören sie auf damit!"

Deeskalieren
Sieze alle Beteiligten. Das hebt sofort die Gewaltschwelle. Stelle freundliche und höfliche Fragen, auch an den Bedrohten. "Was ist denn passiert?" "Kann ich helfen?" "Brauchen Sie mein Telefon?" Vermeide jede Provokation! Sprich über Offensichtliches: "Da vorn kommt ein Bahnhof." "Da sehen uns Leute zu." (e)

Selbstschutz
Wenn der Angreifer seine Agressionen auf Dich richtet, bleib ruhig. In diesem Moment kannst Du Dich noch ohne Gefahr zurückziehen. Wenn Du das sehr langsam und ruhig machst, gewinnt ihr wertvolle Zeit. Sag dabei Sachen wie "Entschuldigung, ich wollte mich nicht einmischen." "Geht mich ja nichts an." Das hebt die Gewaltschwelle immer weiter.

Beobachten
Merk Dir so genau wie möglich das Aussehen des Täters, und was er wann gemacht hat. Schätze Hilfsmöglichkeiten ab. Wo sind Leute, die eingreifen können? Wo ist das nächste Telefon?

Entscheiden
Wenn die Situation weiter eskaliert entscheide dich
- still zurückziehen und Hilfe holen
- laut zurückziehen und Hilfe holen
- bleiben und passiv Beistand leisten
- bleiben und aktiv Beistand leisten
Jede Entscheidung ist richtig. Du musst sie nur, einmal getroffen, auch konsequent umsetzen.

Gefahren
Wer bei Gefahr für Körper und Gesundheit anderen Hilfe leistet, ist dabei automatisch versichert (SGB VII §2) und bekommt Sachäden und Aufwendungen ersetzt ( SGB VII §13). Ansprechpartner ist das das örtliche Versorgungsamt.


Du wirst bedroht

Vorbereiten
Spiele mögliche Bedrohungssituationen für Dich allein und im Gespräch mit anderen durch. Halte für den Ernstfall eine persönliche Notfallstrategie bereit. Das kann weglaufen sein, sich schlagen, die Polizei holen oder nur aufpassen und sich Gesichter merken. Wichtig ist, sich schon vorher zu entscheiden, was man in letzter Konsequenz zu tuen bereit ist. Dann fällt alles andere wesentlich leichter.

Ruhig bleiben
Vermeide Panik und Hektik, um keine reflexartigen Reaktionen hervorzurufen. Spiele die oder den Ruhigen. So gewinnst Du Dein erstes kleines Stück Kontrolle über die Situation.

Das Ritual
Jedem Angriff geht ein Vorspiel voraus! Das musst Du erkennen und ausmanövrieren. Lass Dich nicht auf Streit mit Unbekannten ein. Wechsle nicht die Strassenseite, sondern biege ab oder drehe um, wenn du Dich unwohl fühlst. Bleib aus der Reichweite fremder Arme! Heb die Hände zum Kopf, so als würdest Du dich zweifelnd am Kinn kratzen.

Die zugedachte Rolle verlassen
An diesem Punkt entscheidet sich fast alles. Flehe nicht und verhalte Dich nicht unterwürfig. Wenn Du zwei, dreimal nicht auf Provokationen reagierst sondern deinerseits irgendetwas sagst, hast du die Gewaltschwelle bereits ein gutes Stück heraufgesetzt. Stelle Blickkontakt her und versuche, den oder die Angreifer in ein Gespräch zu verwickeln. Sieze die Angreifer! Auch das hebt die Gewaltschwelle. Sprich klar und laut über Offensichtliches. Höre den Angreifern zu. Aus ihren Antworten kannst du deine nächsten schritte ableiten.

Um Hilfe bitten
Wenn Du umstehende um Hilfe bitten kannst, sprich sie persönlich und mit einer Handlungsanweisung an. "Die Dame in der roten Jacke. Können sie bitte da hinten am Taxistand Bescheid sagen?" Wenn Du dabei noch jemandem die Chance gibst, etwas zu tun, ohne sich selbst zu gefährden, hast Du einen Verbündeten gewonnen! Diese Personen werden in der Nähe bleiben.(g)

Flucht
Flucht ist Dein bestes Mittel. Flucht bedeutet nicht Aufgabe! Sobald Du in einer sicheren Position bist, kannst Du Gegenmassnahmen einleiten. Flüchte in Kneipen oder Läden (s.a. "Noteingang"). Die Betreiber sind gesetzlich verpflichtet, die Polizei zu rufen! Anderenfalls können sie ihre Lizenz verlieren. Weise sie notfalls darauf hin. Schätze dein Laufvermögen richtig ein. Flüchte nicht aus einer beleuchteten, belebten Zone in eine dunkle Seitenstrasse oder Parks! In Bus und Bahn: bleib! Zieh die Notbremse oder benutze den Rettungshammer. Fordere Andere auf, den Fahrer zu informieren. Auch dieser ist vepflichtet, die Polizei zu rufen.

Wenn es wirklich zu Gewalt kommt
Hier sind die Ratschläge sehr widersprüchlich. Es gibt nur eine Gemeinsamkeit: jede Gegenwehr lohnt sich! Der Gedanke, wenn ich mich nicht wehre, dann wird es nicht so schlimm, ist vielfach widerlegt worden.(g) Rede unbedingt weiter, schreie, heule, brülle. Schütze vorallem Deinen Kopf gegen Schläge von oben. Die lohnendste Gegenwehr scheinen Tritte gegen die Knie der Angreifer zu sein.(w)


Nach jeder rechten Eskalation

Polizei rufen
Je schneller Du Anzeige erstattest, desto grösser die Erfolgsausichten. Spiel auch das vorher durch. Du kannst Dich auch nur als Zeuge melden. Sieg-Heil-Rufe, der Hitlergruss, das Leugnen des Holocaust und das Tragen von SS-Abzeichen sind verboten. Eine Anzeige lohnt sich: so kannst du den Bewegungsspielraum von Nazis einschränken und ihre Aktionen behindern. Der erfolgreichste Ton im Umgang mit Polizisten ist freundliche Beharrlichkeit. Benutze das Schlüsselwort "Recht" und bestehe immer wieder darauf.

Staatsanwalt
Du kannst eine Anzeige auch bei der Staatsanwaltschaft machen. Dort gibt es Spezialisten für Nazi-Delikte, die Verständniss für Deine Belange haben. Verlange beim Staatsanwalt, über den Ausgang des Verfahrens informiert zu werden. Du bekommst dann Post und kannst Beschwerde einlegen, wenn die Behörden keinen Grund zum Handeln sahen.

Mit anderen sprechen
Was Dir wo passiert ist, solltest du unbedingt weitererzählen. Du ermöglichst anderen, sich zu schützen, und gewinnst selbst ein Stückchen Abstand,Erzähle ruhig, daß Du weggelaufen bist, weil Dir gesunde Knie für die Party am Abend wichtiger waren. Die Strassenschlacht gewinnen am Ende doch die Faschos, weil sie brutaler und menschenverachtender agieren.

Verarbeiten
Wenn die Situation sehr bedrohlich war oder zeitlich noch nicht zuweit zurück liegt, hilft es, nochmal mit FreundInnen zum Ort des Geschehens zurückzukehren. Oft finden sich Zeugen, wie die Frau im Kiosk oder der Mann auf der Bank. Du hast es leichter, das Geschehene zu verarbeiten. Erzähle die Geschichte auch, wenn du zufällig am Ort vorbeikommst. Du wirst überrascht sein, um wieviel sicherer du beim zweiten Vorfall wirst.



Wie kann ich mich vorbereiten?

Sport-Psychologie
Dreh einen kleinen Film in Deinem Kopf, in dem Du eine der Aktionen erfolgreich durchführst. Mach den Film so intensiv wie möglich in Bild, Ton, Geruch. Sieh dich selbst im Film zuerst von aussen. Dann dreh das ganze nochmal aus der Innenperspektive.(g)

Hilft Kampfsporttraining?
Nur sehr, sehr begrenzt. Du gewöhnst dich an faire Kämpfe, an gedämpfte Stürze, an ausreichend Platz. Das alles gibt es auf der Strasse nicht. Andererseits sind die körperliche Fittness und ein Grundwissen über Schläge hilfreich.(e)

Helfen Waffen?
Nein. Sie gefährden Dich! Sie werden häufig gegen Dich verwendet, und wenn Du ausnahmsweise erfolgreich damit umgehst, bist Du vor Gericht der Angeklagte!(g)

Reden
Den Mund überhaupt aufzumachen und Deinem eigenen Drehbuch zu folgen, ohne dabei in Streit zu geraten, scheint die lohnendste Vorbereitung zu sein.

Links, Hinweis
Den Selbsthilfe-Tonfall habe ich gewählt, um den aus völlig unterschiedlichen Quellen stammenden Informationen eine einheitliche Form zu geben. Dieses Dokument wird weiter bearbeitet. Ergänzungen, Anregungen und Hinweise hier posten. Oder schick mir eine Mail