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Offener Brief von: Prof. Dr. Norbert Finzsch , Hansaplatz 2, 20099 Hamburg

An: Herrn Peter Langanka , CSD-Hamburg


ZWISCHENFALL BEI CSD-PARADE


Sehr geehrter Herr Langanka,
ich bin überrascht und empört, bei der heutigen Parade Zeuge eines Zwischenfalls geworden zu sein, der der politischen Geschichte und der aktuellen Bedeutung der Gay Pride Parade im höchsten Maße widerspricht. Gay Pride war und ist auch immer ein Protest gegen ungesetzliche Polizeiaktionen gegen Schwule und Lesben, wie Sie vielleicht wissen. Heute hat die Veranstaltungsleitung der Gay Pride Parade Polizei mit gezogenem Schlagstock eingesetzt, um einen Wagen der “Schwulen Baustelle” aus dem Umzug entfernen zu lassen. Ich glaubte meinen Augen und Ohren nicht zu trauen, als in der Nähe des Hauptbahnhofs gegen 14:00 etwa 30 bis vierzig Beamte gegen den Wagen der “Schwulen Baustelle” vorgingen, weil diese Organisation zuvor angeblich unangemeldet einen Kleinwagen in die Parade eingeschleust hatten. Bei der folgenden Auseinandersetzung mit zwei ruppigen und unhöflichen männlichen Ordnern auf der Langen Reihe seien diese beiden Ordner von einem Wagen der Schwulen Baustelle “angefahren” worden bzw. “überfahren” worden, wie mir der Einsatzleiter der Polizei auf Anfragen erklärte. Davon kann keine Rede sein, denn ich war während der ganzen Zeit in der Langen Reihe vor Ort und kann bezeugen, daß die beiden Ordner nicht “an-“ oder “überfahren” worden sind. Allerdings hat ein Ordner auf mich eingeschlagen und mich an der Hand verletzt. Ich kann die unhaltbaren Behauptungen der Ordnungskräfte nur als Versuch werten, gegen die unliebsamen politischen Aktionen der Schwulen Baustelle Zensur auszuüben.

Ich finde es unerträglich, daß die Veranstaltungsleitung beim CSD politische Zensur üben will und einzelne Gruppen nach Gutdünken aus der Parade ausschließen will. Ich finde es noch unerträglicher, daß zur Durchsetzung dieser Zensur die Polizei bemüht wird. Dies ist eine eklatante Verletzung der Idee des CSD. Ich fordere Sie hiermit auf, den Vorgängen auf den Grund zu gehen und in Zukunft dafür Sorge zu tragen, daß auch linke Lesben, Schwule und transgendered Menschen an der Gay Pride Parade teilnehmen können.